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69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen

69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen

Titel: 69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und niemand wagte es, sie zum Sitzen einzuladen. Sie blickte nach dem Gesindetisch hin und da nahm ihr bleiches, hageres Gesicht den Ausdruck der Besorgnis an.
    Der Bauer aß sehr schnell. War er fertig, so pflegte er den Löffel so laut wegzulegen, daß alle es hörten. Das war eine Aufforderung, sich nun zu beeilen. Zuweilen kam es vor, daß er dann ein Wort sprach oder irgendeine Bemerkung machte. So auch heute. Er drehte sich nach der Frau herum und fragte:
    „Was will Sie denn schon wieder?“
    „Ich will zu meinem Ludwig“, antwortete sie in bescheidenem Ton.
    „Der ist nicht da, wie Sie sieht.“
    „Wo ist er denn?“
    „Das weiß der Teufel! Wenn das öfters vorkommt, so jage ich ihn fort.“
    „Das werden Sie nicht tun, Herr Kery!“ rief die Frau erschrocken.
    Sie war nämlich die Mutter des säumigen Knechts.
    „Natürlich werde ich es tun! Oder meint Sie etwa, daß ich keinen anderen Knecht bekomme?“
    „Ich habe geglaubt, daß Sie zufrieden mit ihm sind!“
    „Seine Sache macht er gut, das ist richtig. Da könnten sich die anderen ein Beispiel an ihm nehmen. Aber er hat einige Mucken, die ich ganz und gar nicht vertragen kann.“
    „Sie erschrecken mich, Herr Kery!“
    „Ja, Sie hat auch Veranlassung zum Erschrecken, denn Sie trägt auch die Schuld!“
    „Aber ich weiß von nichts.“
    „So! Das sagt Sie mir auch noch? Ich möchte wetten, daß ich sagen kann, weshalb Sie heut wieder kommt!“
    Die Frau senkte die Augen.
    „Nun, da hat man's! Sie kann mich ja schon nicht grad ansehen. Sie war erst vor vierzehn Tagen hier. Was hat Sie denn heute schon wieder da zu schaffen?“
    „Ich – ich – ich habe mit dem Ludwig zu reden.“
    „Von was denn?“
    „Von – von – ich wollte –“
    Sie stockte.
    „Geld!“ fiel er ein. „Nicht wahr, er soll schon wieder Geld schaffen?“
    Der strenge Ton, in welchem er das sagte, ermutigte sie keineswegs, ihm eine offene Antwort zu geben.
    „Nun, kann Sie etwa nicht reden?“
    „Ja, ich brauche etwas“, preßte sie hervor.
    „So, so! Also habe ich es erraten. Ich möchte nur wissen, wozu Sie so oft Geld braucht!“
    „Das letzte Mal war es für Abgaben; heute ist es für Zins.“
    „Und wofür wird es morgen sein? Denn es wird gar nicht lange dauern, so ist Sie schon wieder da. Sie ist der Blutegel, der sich an Ihren Sohn hängt und ihn aussaugt, so lange es etwas zu saugen gibt. Und er ist auch so dumm, ihr alles zu geben, jeden Kreuzer seines sauer erworbenen Lohns. Das ist die eine Mucke von ihm, die ich nicht leiden kann. Wozu soll das führen! Bei mir muß ein Knecht tüchtig arbeiten, aber er bekommt auch einen tüchtigen Lohn. Da verlange ich Sparsamkeit, daß es die Kerls zu etwas bringen. Schau Sie dorthin an den Tisch. Sie alle, die dort sitze, haben ihren Lohn bei mir stehen. Ihr Sohn aber hat kein Guthaben. Er hat sich alles geben lassen, und Sie trägt es heim. Wozu? Für Zins und Abgaben? Das macht Sie mir nicht weis. Sie lebt wohl gern ein bißchen gut. Und da Sie nicht viel verdient, so muß der Sohn herhalten. So wird es sein!“
    Der Frau traten die Tränen in die Augen. Sie konnte oder mochte auf diese Anklage keine Antwort geben.
    „Vater!“ sagte Gisela leise in bittendem Ton.
    „Was?“ fuhr er auf. „Was willst du?“
    „Sei nicht so hart.“
    „Hart? Ich? Was verstehst du! Schweig! Überhaupt verbitte ich mir jede Einrede! Ich leide es nicht, daß ein Knecht von mit einen solchen Anhang hat, durch den er zur Liederlichkeit verführt wird. Und was treibt dieser Ludwig außerdem? Bücher liest er, Bücher! Es ist zum Totlachen oder zum Totärgern. Er borgt sie sich. Bücher über die Landwirtschaft. Als ob er Verwalter oder Inspektor werden oder gar sich selber ein Rittergut kaufen wolle. Er mag die Mistgabel in die Hand nehmen, aber kein Buch! Hat er denn daheim auch gelesen?“
    „Sehr viel“, antwortete die Frau. „Es ist das immer sein größtes Vergnügen gewesen.“
    „Vergnügen? Ich danke! Für einen jeden verständigen Mann ist das Lesen eine Anstrengung. Das muß man den geistlichen Herren und den Schulmeistern überlassen.“
    „Er wollte gern einer werden; aber ich war ja eine arme Witfrau. Da mußte er dienen, bis er zum Militär kam.“
    „Nun, er hat es doch bis zum Unteroffizier gebracht. Warum ist er nicht bei der Uniform geblieben?“
    „Das weiß ich nicht. Ich habe mich auch darüber gewundert. Er hätte später eine schöne Anstellung haben können. Aber er sagt es mir nicht,

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