69 - Der Weg zum Glück 04 - Die Rivalen
er. „Weißt du nicht, daß ich dein Herr bin!“
„Aber bevor Sie mein Herr wurden, war diese Frau meine Mutter!“
„Ich werde dir kündigen!“
„Mir recht. Ich kann gleich heut noch gehen. Meines Bleibens ist sowieso nicht länger hier!“
„Ah! Fort willst du?“
„Ja.“
„Warum?“
„Ich hab auch meinen Grund.“
„Was fällt dir ein! Bekommst du etwa nicht genug Lohn?“
„Das ist's nicht, was ich meine.“
„Was denn?“
„Reden wir nicht davon!“
„Reden wir grad davon! Ich bin der Herr und will wissen, warum du nicht länger hier bleiben willst.“
„Zu was soll die Rederei nützen! Sie wollen mir doch kündigen, und da ist es ja ganz gleichgültig, warum auch ich fort will.“
„Nein, mir ist das nicht gleichgültig. Ich verlange, daß du es mir sagst.“
„Nun gut. Ich kann den Stephan nicht leiden.“
Die andern alle hatten mit großer Spannung zugehört. Aus dem Verhalten des Bauern war zu ersehen, daß es ihm mit der Kündigung keineswegs ernst sei. Er bekam in seinem ganzen Leben keinen so pflichttreuen Knecht wieder. Das wußte er gar wohl. Jetzt, bei der Antwort Ludwigs, hätte ein aufmerksamer Beobachter sehen können, das Gisela die Farbe wechselte. Der Bauer machte eine Bewegung des Erstaunens und fragte schnell:
„Was geht dich der Stephan an?“
„Mich? Nun freilich, mich gar nichts.“
„Warum erwähnst du ihn da?“
„Das werden Sie wohl wissen.“
Jetzt hustete der Bauer verlegen. Er räusperte sich einige Male und erkundigte sich sodann:
„Von wem hast du es erfahren?“
„Von ihm selbst.“
„Wann?“
„Vorhin. Unterwegs, auf der Straße.“
„Kann der sein Maul nicht halten. Ich werde ihm den Kopf zurechtsetzen. Ob du bleibst oder nicht, darüber reden wir noch. Deine Mutter mag essen. Wir andern aber sind fertig und wollen beten.“
Niemand außer Ludwig hätte ihm zugetraut, daß er in dieser Weise über ein solches Zerwürfnis hinweggehen werde. Sie hatten eher geglaubt, daß er den Knecht sofort fortschicken werde. Er aber faltete seine Hände und betete grad wie vorhin:
„Wir danken Gott für seine Gaben,
Die wir von ihm empfangen haben,
Und bitten unsern lieben Herrn,
Er wolle uns hinfort mehr beschern.
Amen.“
Es kümmerte den Kery-Bauern nicht, daß dieses Gebet sich nur nach beendigtem Essen eigne. Er betete es auch beim Beginn desselben. Und weshalb? Die Zeile, daß Gott noch mehr bescheren möge, gefiel ihm ausnehmend, und darum betete er es lieber zwei- anstatt nur einmal.
Nun entfernten sich alle, nur der Ludwig blieb mit seiner Mutter zurück.
„Daran bin ich schuld!“ seufzte sie.
„Laß es dich nicht anfechten“, tröstete er. „Es ist nicht so schlimm, wie du denkst.“
„O doch! Er sprach, ehe du kamst, von mehreren Mucken, die du hast.“
„So? Und welche sind denn das?“
„Das Bücherlesen.“
„Das kann er freilich nicht leiden, mir aber ist's halt das liebste Vergnügen. Wann ich da was lern, so ist's mir lieber, als wann ich mich ins Wirtshaus setzen und Schnaps trinken und Karten spielen soll. Und die andern Mucken? Welche ist's?“
„Daßt mir immer Geld gibst.“
„Ja, auch das sieht er nicht gern. Ich soll meinen Lohn bei ihm stehenlassen, der weiß es nicht, was es heißt, arm zu sein. Aber iß nun jetzund vorerst, sonsten wird es kalt!“
„Nein, das ist das deinige. Ich nehm es nicht!“ wehrte sie ab.
„Ich hab aber wirklich keinen Hungern!“
„Geh, das sagst bloß mir zulieb. In den deinigen Jahren und bei der deinigen schweren Arbeiten kann man an jedem Augenblick essen. Im Alter braucht man nimmer so viel, und ich hab mir ja eine Brotrinden einisteckt.“
Sie klopfte lächelnd an ihre Tasche, konnte es aber doch nicht verhüten, daß ihr Blick sehnsüchtig nach dem Teller und der Schüssel schweifte.
„Eine Brotrinden von daheim etwa?“ fragte Ludwig. „Von dem Selbstbackenen?“
„Ja.“
„Zeig mir's doch mal!“
Sie zog wirklich eine harte, trockene, schwarze Brotrinde hervor. Er griff schnell danach, nahm sie ihr aus der Hand und sagte:
„Schau, wie schön das ist! Ich hab mich schon bereits lang sehnt nach einem Stückle Brot, wast selbst backen hast. Das mußt mir schenken, und ich tu mir eine gar große Güten und Deliziositäten daran. Hier liegt von unserem Brot. Das ist auch weicher und weißer und besser für dich. Da kannst dir ein Stück abschneiden und mitnehmen.“
„Mitnehmen? Was denkst von mir!“
„Meinst, daß es ein Diebstahl sei? O
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