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beinahe mein Glas fallen.
»Aber ich habe nicht halb so viel Talent wie du«, sagte Ann-Margret zu ihr. »Ich finde immer noch, du solltest es machen.«
»Wir haben das doch schon auf dem Weg hierher beschlossen, oder nicht? Yazaki-san, du hast von dem Festival der Darstellenden Künste im letzten Jahr gehört, oder? Sie hat den Preis der Jury für ihre Darstellung der Portia bekommen. Und sie war erst eine Schülerin im zweiten Jahr.«
Ann-Margret schlug sich die Hand auf den Mund, wand sich in ihrem Sitz und sagte: »Hör auf, das ist mir peinlich.« Sie lehnte sich gegen Adama, und ihre üppigen Brüste wackelten unter der Bluse.
»Oh ja, ich habe darüber gelesen«, sagte Iwase. »Ich glaube, es war in der Zeitschrift der Lehrer-Eltern-Vereinigung. Ken, hatten wir nicht vor, einen Artikel über Sato-san zu schreiben?«
Ich spürte, wie sich das Sofa von einem Ekstase-Sessel in etwas verwandelte, das eher einem nassen Toilettensitz glich. Die Worte Halt deine beschissene Klappe, Iwase! lagen mir auf der Zunge, aber ich schätzte, dass ich damit keine Punkte machen konnte, also hielt ich sie zurück und kaute auf dem Rand meines Glases herum. Adama hatte den Kopf gesenkt und lachte in sich hinein.
»Den Raum vom Drama-Club können wir nicht benutzen, aber ich dachte, wir könnten in der Kirche proben, in die ich immer gehe«, sagte Portia, die vollbusige Christin, fröhlich, und ich zwang mir ein Lächeln ab und dachte verzweifelt über eine Möglichkeit nach, eine sexy Badewannenszene in das Drehbuch einzubauen und noch eine Person hinzuzufügen - ein Mädchen, das der Junge von ganzem Herzen liebte. Ich erkannte aber ganz schnell, dass das nicht in Frage kam, und sackte in meinem Sitz zusammen. Es kam nicht in Frage, weil ich mich erst fünf Minuten vorher darüber ausgelassen hatte, wie subtil, wie revolutionär, wie rein und unschuldig das Stück sei, weil es um nur zwei Figuren ginge, die miteinander verwandt seien.
»Also, wenn du dir sicher bist, dass du nichts dagegen hast, dass ich es mache«, sagte Ann-Margret, und ich versicherte ihr mit kläglicher Stimme, dass mich nichts mehr freuen würde.
Die Brücke von Sasebo war der Schauplatz des Hauptkampfes in der Protestaktion gegen die Enterprise gewesen. Dahinter breitete sich die amerikanische Marinebasis aus. Der Jazz-Club Four Beat, in dem Iwase und ich seit unserem ersten Jahr an der Oberschule gerne herumhingen, lag an einer breiten Straße, die von Platanen gesäumt wurde und zur Brücke führte. Das Innere des Clubs hatte einen besonderen Geruch, den wir mit Schwarzen assoziierten. Wir nannten ihn den Geruch von Blues. Er hing am Tresen, am Sofa, den Tischen, den Aschenbechern. Es hatte dort schon Nächte gegeben, in denen ein Matrose, der Chet Baker aufs Haar glich und eine Seejungfrau auf der linken Schulter eintätowiert hatte, Trompete spielte, Nächte, in denen sich schwarze MPs während ihrer Runde eine Pause gönnten, um mehrstimmig St. James Infirmary zu singen, und Nächte, in denen Animiermädchen mit braun, gelb oder rot gebleichten Haaren aus den Bars, in denen Ausländer verkehrten, die Luft mit dem Geruch von billigem Parfüm erfüllten, während sie die Fäuste schwangen und sich gegenseitig kratzten und traten. Der Besitzer, ein Mann namens Adachi, nahm uns nie aufs Korn, auch dann nicht, wenn wir stundenlang über einem einzigen Glas Cola saßen. Adachi war immer zugedröhnt mit Alkohol oder Pillen oder Dope, und wenn er richtig geladen hatte, fing er regelmäßig an zu heulen. »Scheiße«, wimmerte er dann unter Tränen, »warum bin ich nicht als Schwarzer geboren worden?«
Ich fand, das wäre der perfekte Ort, um Mie Nagayama zu treffen. Wir hatten dem Engel und Ann-Margret erzählt, dass der nächste Teil der Besprechung nur das Produktionsteam betreffe. Es war nicht direkt nötig, sie anzulügen, und ich sollte lieber nicht behaupten, dass ich es nur tat, um Janes Gefühle nicht zu verletzen, denn das wäre einfach nur eine weitere Lüge. Eigentlich war es Adamas Idee gewesen. Er hatte sich überlegt, dass ich wahrscheinlich völlig ausflippen würde, wenn ich drei schöne Frauen auf einmal sähe, und sie verscheuchen würde, indem ich etwas völlig Verrücktes sagte.
»Wollt ihr hier jemanden treffen?«, fragte Adachi von seinem Platz hinter dem Tresen aus. »Wenn ich mir anschaue, wie nervös Ken ist, muss es eine Frau sein.«
Adama nickte.
»Sie ist der Star, die Nummer Eins von Junwa«, erklärte ich. Adachi
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