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69

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Titel: 69 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ryu Murakami
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abstempeln. Hast du einen persönlichen Stempel, Ken?«
    »Scheiße, daran habe ich gar nicht gedacht.«
    »Und wie machst du das mit den Eintrittskarten?«
    »Wir verteilen sie, verkaufen sie.«
    »Nein, ich meine, wo lässt du sie drucken? Wenn wir einen Drucker aus der Stadt nehmen, wird er es der Schule melden.«
    Da hatte er Recht. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber dem Schlackehalden-Realismus war es gelungen, das Lächeln aus meinem Gesicht zu wischen.
    »Willst du sie mit der Hand drucken?«
    »Tausend Eintrittskarten?«
    »Vergiss es. Von Hand gedruckte Eintrittskarten gehen sowieso nicht.«
    Es mit der Hand zu machen oder sie zu vervielfältigen kam nicht in Frage. Wir redeten hier nicht über Einladungen zu einer Geburtstagsparty oder einem Talentwettbewerb in einem Altersheim.
    »Sagen wir das Festival also ab?«, fragte Adama. Er schien mein Unbehagen zu genießen. Es gelang ihm nur mit Mühe, ein ernstes Gesicht zu machen.
    »Hört zu«, sagte er nach einer bedeutungsschwangeren Pause, »mein Bruder ist an der Universität von Hiroshima. Ich werde ihn bitten, die Eintrittskarten in der Druckerei auf dem Campus machen zu lassen. Sie benutzen richtigen Fotosatz, sie tippen das nicht oder so, und weil die Druckerei der Universität gehört, kostet es nur ungefähr die Hälfte. Was die Halle angeht - kennt ihr die Arbeiterhalle in der Nähe des Eingangs zur Militärbasis? Sie wird für Gewerkschaftsversammlungen und so weiter benutzt, es gibt also keine Vorschriften oder so - alles, was man braucht, ist ein Bürge, der seinen Stempel auf ein Formular drückt, und es spielt keine Rolle, wer das ist. Die Sitze kann man auch herausnehmen, wenn wir also alle auf dem Boden sitzen lassen, kriegen wir, schätze ich, ungefähr achthundert Leute da rein. Zwar keine tausend, aber zum Teufel, es gibt in Sasebo keine Halle, in die tausend Leute passen. Sogar in die Stadthalle passen nicht mehr als sechshundert, und dann hat man den Rang schon mitgerechnet.«
    Adama zog sein Notizbuch zu Rate, während er das herunterspulte.
    »Die Bühne ist ungefähr fünf Meter tief - das ist mehr als genug Platz für das Schlagzeug und die Verstärker und alles, okay? Es gibt sechs Scheinwerfer auf jeder Seite der Bühne und auch einen Projektor-Raum. Ich schätze, man braucht keinen Projektor-Raum für einen Acht-Millimeter-Film, aber man muss den Raum verdunkeln, sonst kann man nichts sehen, okay? Also, dieser Raum hat bereits schwarze Vorhänge vor allen Fenstern. Man kann ihn in ungefähr drei Minuten verdunkeln. Pechschwarz, so wie wir es haben wollen. Ach ja, und der Bürge - ich kenne da einen aus dem Basketball-Team, der letztes Jahr seinen Abschluss gemacht hat. Er ist ziemlich durchgeknallt, und ich habe ihn schon gebeten, uns zu helfen. Wir müssen einfach nur einen vorgefertigten Stempel kaufen und seinen Namen und seine Adresse benutzen, okay? Na? Was meint ihr?«
    » Du bist ein Genie! Café au lait ist Milch mit Kaffeegeschmack! Schlackehalden sind der Stolz und die Ehre Japans!«
    Ich presste meine Handflächen gegeneinander und verbeugte mich vor ihm. Er sagte mir gleichmütig, ich solle den Scheiß lassen und mir einen Entwurf für die Eintrittskarten überlegen und ihn am nächsten Tag zu ihm bringen.

    »Yumi-chan und ich haben darüber gesprochen, und ... Also, es gibt nur zwei Personen in dem Stück, richtig?«
    Die engelhafte Lady Jane sagte das zwischen zwei geräuschlosen Schlucken englischen Tees, dem Getränk der Aristokraten. Sie saß neben mir. Ann-Margret saß neben Adama. Sie hatte Iwase regelrecht vom Sofa geschubst, um den Platz zu ergattern, und Iwase musste an den Nebentisch umziehen. Hin und wieder streifte der Oberschenkel des Engels den meinen. Immer wenn das passierte, verwandelte sich das Sofa, auf dem wir saßen, in einen elektrischen Stuhl, ein gewaltiger Stromstoß fuhr unter meine Schädeldecke, meine Haare standen zu Berge, ich konnte kaum atmen, es kribbelte in meinem Schoß, meine Kehle wurde trocken, meine Handflächen wurden feucht, und der einsame Ausdruck auf Iwases Gesicht verschwand aus meinem Blickfeld.
    »Richtig, nur zwei Personen - ein Junge und seine ältere Schwester.«
    Adama lächelte wissend. Es war ein Lächeln, das besagte, dass er meine Hintergedanken - meiner Hauptdarstellerin nahe zu kommen, indem ich allein mit ihr probte - ziemlich leicht durchschaut hatte.
    »Also, schau mal, ich dachte, dass Yumi-chan besser dafür geeignet wäre ...«
    Ich ließ

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