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69

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Titel: 69 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ryu Murakami
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halbamerikanischen Kids und der PX-Läden auf dem Militärgelände taten es. Es war der Geruch von schmierigem Fett. Mir machte das nichts aus. Für mich roch es nur nach Essen.
    Coelacanth spielte ohne Drummer Gimme Some Lovin’ von der Spencer Davis Group. Fuku-chan, der Bassist, hatte den Gesang übernommen, während Keiji an der Gitarre und Shirai am Keyboard die Augen geschlossen hielten und ihre Haare schleuderten und die Zungen herausstreckten und sich vorstellten, sie seien Mike Bloomfield und Al Kooper. Shirai konnte nur drei Akkorde. Damals war das alles, was man brauchte, um ein Rockmusiker zu sein. Sie winkten mich zu sich, und ich kletterte auf die Bühne. Adama, der immer noch die Stirn runzelte, setzte sich an die Bar, wo Animierdamen mittleren Alters, die nichts als einen Slip trugen, Nudeln aus ihren Schüsseln schlürften. Fuku-chan zeigte mit seinem Kinn auf das Schlagzeug. Er kam beim Singen regelmäßig mit dem Text durcheinander. Immer wenn er ihn vergessen hatte, wiederholte er einfach: »Don’tcha know, don’tcha know, don’tcha know.« Alles, was man damals brauchte, um ein Rocksänger zu sein, war die Fähigkeit, »don’tcha know« zu schreien.
    Es war ein einziger Gast da, ein Matrose, fast noch ein Teenager, der nur noch »Lassie!« hätte rufen müssen, um mich davon zu überzeugen, dass er wirklich Little Timmy war. Er trank direkt aus einer Halbliterflasche Bier und versuchte verzweifelt, seine Hand in den Schlitz des chinesischen Kleides zu schieben, das die Animierdame neben ihm trug.
    »Früchte okay? Früchte okay?«, sagte die Frau, die mindestens Anfang sechzig zu sein schien, und Timmy, der nichts Böses ahnte, nickte fröhlich und sagte: »Klar doch.« Das setzte eine vertraute Szenenfolge in Gang. Eine Metallplatte, die mit Ananasstückchen, Mandarinen und Pfirsichen frisch aus der Dose vollgehäuft und mit schon mehrfach verwendeter Petersilie dekoriert war, wurde hereingebracht. Timmy, erschüttert über den Preis, zerbrach seine Bierflasche an der Tischkante. Der Besitzer kam aus dem Hinterzimmer gestürzt und rief die MPs, und alsbald wurde der arme Timmy mit leeren Taschen in einen Jeep verfrachtet.
    Während der ganzen Zeit spielte Coelacanth weiter, und Fuku-chan sang immer noch: »Dont’tcha know, don’tcha know.« Als das Stück fertig war, sagte er: »Danke schön, danke« in das Mikro, obwohl sein einziger Zuhörer inzwischen verschwunden war.
    »Hast du alles geregelt?«, fragte ich ihn.
    Wir hatten geplant, die Verstärker und Mikrophone für das Morgenlatten-Festival vom Black Rose zu leihen. Deshalb trat Coelacanth den ganzen Nachmittag für die symbolische Gage von einer Schüssel Nudeln und einem Teller voll Schweinefleischklößchen auf. Fuku-chan schüttelte den Kopf.
    »Ich habe noch nicht mit dem Besitzer gesprochen.«
    Die Animierdamen an der Bar neckten Adama.
    »Du bist fantastisch.«
    »Trink ein Bier. Geht auf mich.«
    »Hast du eine Freundin?«
    »Natürlich hat er. So ein Süßer?«
    »Machst du es mit ihr?«
    »Du benutzt besser einen Präser, oder du hast am Ende noch ein Kind am Hals.«
    »Hast du keinen Hunger?«
    »Du kannst die Hälfte von meinen Nudeln haben.«
    »Soll ich dir einen Eintopf bestellen?«
    Auf diese Frauen, die es aus Städten von nah und fern hierher verschlagen hatte, wo sie ihre Haare bleichten und umgeben vom Geruch Amerikas ihrem Alter entgegensahen, musste Adama wirken, als schwebe ein Heiligenschein über seinem Kopf. Wenn er eine neue religiöse Sekte gegründet hätte, wären sie alle ohne Zweifel auf der Stelle zu seinen Jüngerinnen geworden. Aber Adama, der zwischen Halden guter, ehrlicher Kohle aufgewachsen war, war nicht in der Lage, diese Rohdiamanten zu verstehen, die hinter den Kulissen so viel zur Wirtschaft im Nachkriegs-Japan beitrugen. Er saß da und rutschte nervös hin und her, während eine runzlige Hand nach der anderen auf seinen Oberschenkel gelegt wurde. Ich wandte mich an eine Gruppe von drei Animierdamen.
    »Hört mal, meint ihr, ihr könntet versuchen, den Manager zu bitten, ob er uns seine Verstärker am 23. November leiht? Es ist sowieso ein Feiertag«, sagte ich.
    »Das hier ist Yamada. Wir nennen ihn den Alain Delon der Nördlichen Oberschule. Wenn ihr uns dabei helft, könnte ich ihn euch für zwei oder drei Tage leihen.«
    »Er sieht eher wie Gary Cooper aus als wie Alain Delon.«
    »Was meinst du damit, du willst ihn uns ausleihen?«
    »Meinst du, wir können uns mit ihm verabreden

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