Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
69

69

Titel: 69 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ryu Murakami
Vom Netzwerk:
niemanden, der sich nicht hin und wieder so fühlte. Jedes siebzehnjährige Gesicht in der Menge in einer Provinzstadt, ohne Geld und ohne Muschi, kannte mit Sicherheit dieses Gefühl. Es war ganz natürlich, wenn man bedachte, dass wir kurz davor waren, aussortiert und in verschiedene Kategorien von Haustieren eingeordnet zu werden. Aber bestimmte Sätze waren tabu, und man warf einen Schatten auf den Rest seines Lebens, wenn man sie aussprach.
    »Während ich mit euch herumhing, fing ich an, mich ein bisschen smarter zu fühlen. Mir tat das gut, aber in Wirklichkeit hatte ich mit dem, was ihr gemacht habt, gar nichts zu tun, stimmt’s? Ich kann das nicht so gut erklären, aber hier stehe ich und denke, ich bin ’ne heiße Nummer, und ich weiß nicht, es fing an, lächerlich zu wirken, wisst ihr, ich konnte es einfach nicht mehr aushalten. «
    »Verstanden« , sagte ich. Was Iwase sagte, war richtig, es ergab einen Sinn, aber nur weil etwas richtig ist und einen Sinn ergibt, heißt das noch lange nicht, dass man sich damit wohl in seiner Haut fühlt. Ich wollte nichts mehr davon hören.
    »Ach übrigens, Ken-san, ihr wollt doch Mie Nagayama bei der Eröffnung des Festivals einsetzen, oder? Hör zu, ich habe von einem Freund an der Technischen Oberschule gehört, dass der Anführer der Gang da, der in Nagayama verliebt ist, herumläuft und nach dir Ausschau hält und jedem erzählt, dass er dich halb tot prügeln will. Vielleicht solltet ihr eure Meinung ändern und sie nicht auftreten lassen.«
    Iwase sagte das, als wir gerade gehen wollten. Er erinnerte uns auch daran, dass der Typ der Kapitän der Kendo-Mannschaft war.

    Adama und ich redeten kaum ein Wort, als wir die Straße am Fluss entlang zurückgingen. Iwase war ein trübsinniges Arschloch. Trübsinnige Menschen lebten davon, dass sie allen anderen die Energie aussaugten, und das machte den Umgang mit ihnen ziemlich mühselig. Außerdem konnten sie keinen Spaß verstehen.
    »Adama, nimm es dir nicht so zu Herzen, Mann«, sagte ich und starrte auf den Boden, während wir so dahingingen. »Hey, du hast doch mal gesagt, dass dir diese Tasche gefällt, oder?« Ich hielt ihm meine orange Schultertasche hin. Mein Name stand darauf, das KEN in großen lateinischen Buchstaben. »Ich tausche sie gegen deine, wenn du willst.«
    Adama sah mich an und schüttelte den Kopf. »Ich glaube dir nicht, Mann«, sagte er. Er hatte meinen Trick durchschaut. Derjenige, der die Tasche trug, würde die Zielscheibe sein, wenn der Kendo-Typ angriff.
    Was auch genau in dem Moment passierte, als wir das Café Boulevard erreichten.
    Plötzlich waren wir von sechs Kerlen von der Oberschule umringt, die Bambusschwerter trugen.

APRIL COME SHE WILL
    Sechs Kerle mit Bambusschwertern umringten Adama und mich. Sie alle trugen zerknautschte Schulmützen, die als alte Lumpen durchgegangen wären, und auf jeder Mütze saß das Abzeichen der Technischen Oberschule. Die Schwerter glänzten dunkel und sahen solide und hart aus. Adama war schon weiß wie ein Bettlaken.
    »Bist du Yazaki von der Nördlichen?«, fragte mich der Anführer, ein dicker, pickelgesichtiger Neandertaler. Ich war mir sicher, dass die Schwerter jeden Moment auf meinen Kopf niederkrachen würden. Ich nickte, und meine Beine begannen, wie wild zu zittern. Um das Zittern zu stoppen, atmete ich tief durch die Nase und versuchte, gelassen zu wirken. Wenn ich sie sehen ließ, wie viel Angst ich hatte, würde sie das nur ermutigen und es viel schwieriger machen, sie abzuwimmeln.
    Für jemanden, der unter Bergleuten aufgewachsen war, einer der raubeinigsten Bevölkerungsgruppen Japans, wirkte Adama ein klein bisschen weichlich. Was für Impresarios waren wir aber auch, dachte ich, warum hatten wir nicht darauf geachtet, immer ein oder zwei Bodyguards bei uns zu haben? Schon zu spät.
    Ich war während meiner ganzen Mittelschulzeit in irgendwelche Prügeleien verwickelt gewesen, aber das waren immer harmlose Box- und Ringkämpfe. Für mich existierten Holzschwerter, Ketten und Messer nur in Comic-Heften .
    »Also? Du bist Yazaki, oder?«, sagte Pickelgesicht und ließ ein boshaftes Grollen in seiner Stimme hören.
    »Ja, bin ich. Sagt mal, seid ihr nicht von der Technischen Oberschule? Ich hatte gehofft, dass wir uns mal treffen würden. Ich würde nämlich gerne was mit euch besprechen. Lasst uns hier in dieses Café gehen, damit wir uns unterhalten können.«
    Ich redete mit so lauter Stimme, dass sich die Passanten umdrehten und

Weitere Kostenlose Bücher