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69

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Titel: 69 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ryu Murakami
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und ihn ausführen und so?«
    »Vielleicht stelle ich ihn meiner Tochter vor. Wenn sie einen gut aussehenden Jungen wie ihn hier hätte, würde sie wahrscheinlich diesen schwarzen Gl fallen lassen, mit dem sie herumhängt. Sie hatte schon fünf Abtreibungen. Ich mache mir Sorgen um ihre Gesundheit.«
    Adama fand das nicht komisch. Es kotzte ihn sogar dermaßen an, dass er aufsprang und davonrannte. Ich bat Fuku-chan schnell, sich um die Verstärker zu kümmern, und rannte hinter ihm her.

    »Dir kann man nicht trauen, Mann. Du bist so verdammt egoistisch, dass du überhaupt nicht an andere denkst. Du willst mich diesen Hexen ausleihen? Du rennst herum und erzählst so einen Scheiß und denkst, das kotzt mich nicht an?«
    Ich sagte dreizehn Mal , dass es mir Leid täte, aber Adama wollte mir immer noch nicht vergeben.
    »Du brauchst nicht so wütend zu werden. Es war nur ein Witz.«
    »Ein Witz, ach du Scheiße. Ich kenne deine Masche jetzt, Mann. Du würdest alles tun, damit du bekommst, was du willst.«
    »Ja, aber hör zu, Adama, vielleicht liegt es an solchen Menschen, dass die menschliche Rasse sich so weit entwickelt hat.«
    »Erzähl nicht so einen Mist.«
    Er hatte Recht, es war Mist. Und Adama kannte mich zu gut, um darauf hereinzufallen.
    »Schau, diese Frauen haben ihren Körper verkauft, um durch die schlechten Zeiten nach dem Krieg zu kommen. Sie haben sich für uns geopfert. Für das 21. Jahrhundert.«
    »Das hat damit nichts zu tun.«
    Wieder richtig. Es hatte überhaupt nichts mit dem Ganzen zu tun.

    »Iwase-san ist zu uns in die Klasse gekommen und hat uns gebeten, dir diesen Brief zu geben.«
    Es war in der Kirche - der Kirche, die Ann-Margret für unsere Proben vorgeschlagen hatte -, wo Kazuko Matsui, liebreizender als die Jungfrau Maria, die dort auf uns herunterlächelte, das sagte. Die Kirche lag auf einem Hügel oberhalb des Bahnhofs, es war diejenige, die immer auf Ansichtskarten von Sasebo abgebildet war. Ann-Margret ging offensichtlich jeden Sonntag hierher, seit sie ein kleines Mädchen war. Vielleicht war das eine Erklärung für ihre enormen Möpse. Die Möpse unserer Ann-Margret standen denen der echten Ann-Margret in keiner Weise nach: Sie waren einfach großartig. Ich bezweifelte es zwar, aber ein Junge, dessen Eltern eine Rinderfarm hatten, hatte es einmal geschafft, einen heimlichen Blick auf die Mädchen zu werfen, als sie bei einer ärztlichen Untersuchung waren, und er behauptete, dass Satos Titten größer seien als die der Kühe auf seiner Farm. Lieber Gott, bitte gib mir große Titten - vielleicht sprach sie an jedem Sonntag in ihrem Leben so ein kleines Gebet.
    Trotz der feierlichen Atmosphäre in der Kirche verliefen die Proben ziemlich glatt, denn der Pfarrer, Pater Saburo, interessierte sich für die Darstellenden Künste. Das einzige Problem bestand darin, dass er nach seinem Uni-Abschluss sechs Monate lang in einer Theatergruppe gewesen war und nun darauf bestand, sich in meine Regiearbeit einzumischen. Ann-Margret zum Beispiel benahm sich, als spiele sie Shakespeare, breitete die Arme weit aus und deklamierte aus vollem Hals, was ich für übertrieben und unnatürlich hielt, aber er lobte sie dafür. Er ging sogar so weit, im Skript herumpfuschen zu wollen.

Als ich den kleinen Jungen
    am Straßenrand im Schnee aussetzte,
    da erkannte ich, was wirklich wichtig ist:
    Du musst dein Leben riskieren für das Recht,
    nein zu sagen.
    Nur wenn du dein Leben offen legst,
    kannst du Worte erschaffen,
    die es wert sind, dein Leben zu riskieren.

    »Was bedeutet das?«, fragte er. »Glaubst du nicht, die Stelle mit dem Baby ist ein bisschen hart? Können wir das nicht ändern?«
    Was für ein Arschloch, dachte ich. Warum sollte es irgendetwas bedeuten? Ich hatte doch nur einen Haufen Zeilen aus verschiedenen Romanen genommen und sie wahllos aneinander gereiht.
    Als ich aber Lady Jane sah, verflog mein Ärger wieder. Von einem Sitzplatz aus, auf dem jeden Sonntag gläubige Christen ihren Kopf vor Gott senkten, sah Jane mir und Ann-Margret aufmerksam dabei zu, wie wir auf dem Podium neben dem Altar unseren Text durchgingen. Sie stützte ihren Ellbogen auf das Bibelgestell und schmiegte die Wange in die Hand. Das Licht der Abendsonne floss durch die Buntglasfenster und beleuchtete ihr Profil; es sah aus wie ein impressionistisches Gemälde. Sie nur anzusehen verschaffte mir ein intensives Gefühl des Wohlbehagens. Die gleiche Art von Glück hatte ich empfunden, als ich in der

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