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mich anschauten, und als ich fertig war, bewegte ich mich auf die Tür des Boulevard zu. Pickelgesicht legte seine Hand auf meine Schulter und hielt mich zurück. »Warte mal.«
Er starrte wütend auf mich herab, schob sein Kinn vor und hob leicht die Augenbrauen. Er kopierte die Helden der Gangster-Filme, die vor zehn Jahren populär gewesen waren, Filme, die in kleinen Provinzstädten wie der unseren immer noch gezeigt wurden.
»Du wolltest etwas besprechen, richtig?«
Meine Beine zitterten immer noch, aber ich sagte das mit einer ruhigen, beherrschten Stimme. Mein Vater hatte mir mal gesagt, dass ich höflich sein müsse, aber nicht anfangen dürfe zu kriechen, wenn ich jemals von Yakuzas umringt sein sollte. Vor langer Zeit, als er noch um die zwanzig war, war er mal mit einem Baseballschläger auf den Vorsitzenden der Lehrer-Eltern-Vereinigung losgegangen, der zufällig auch ein Yakuza-Boss war - und die Schläger dieses Gangsters hatten ihn in die Enge getrieben und ihm ein Messer an die Kehle gehalten. »Wenn sie mit dem Ding zugestoßen hätten, wäre ich tot gewesen«, erzählte er mir. »Du warst noch ein Baby, Ken-bo, und ich wollte nicht sterben und deine Mutter zurücklassen, die dich allein hätte großziehen müssen, also entschuldigte ich mich. Aber wenn du diesen Bastarden gegenüber zu demütig wirst, sind sie nur allzu gern bereit, dir die Scheiße aus dem Leib zu prügeln. Also entschuldigte ich mich, deutete aber gleichzeitig mit unmissverständlichen Worten an, dass der Sohn ihres Bosses absolut keine Chance hätte, aus seinem Leben was zu machen, wenn sie mich, einen Lehrer, anrührten. Ich nehme an, dass ich auch ziemlich viel Glück hatte, jedenfalls bin ich ohne einen Kratzer aus der Sache herausgekommen ...«
Ich ging in das schummrige Innere des Boulevard und steuerte auf den Tisch zu, der am weitesten von der Tür entfernt lag. Die Holzschwerter und die übergroßen Schuluniformen passten nicht so richtig zur Musik - Sibelius’ Finlandia.
Adama und ich saßen mit dem Rücken zur Wand, und Pickelgesicht und seine Jungs besetzten zwei Tische im Halbkreis um uns herum. Sie lehnten alle ihre Schwerter gegen die Wand. Wir waren zumindest vorübergehend der Gefahr entgangen, dass jeden Moment unsere Köpfe gespalten werden konnten.
»Nehmt ihr alle Kaffee?«, fragte ich und schaute jeden von ihnen an. Das Kräfteverhältnis hatte sich verlagert, wenn auch nur geringfügig. Ein Blick auf ihre Uniformen, die vor Schweißflecken glänzten und an manchen Stellen zerrissen waren, genügte, um einen davon zu überzeugen, dass das Hardboys der alten Schule waren. Sie gingen nicht in Spielhallen oder Cafés, weil sie kein Geld hatten. Da sie solche Orte nicht gewöhnt waren, war ihnen jetzt unbehaglich zumute. Ich bestellte bei der Serviererin, die ich ziemlich gut kannte, acht Café Royal.
»Wir wollten mit euch Jungs über Nagayama reden, weil wir befürchten, dass ihr irgendwie einen falschen Eindruck gekriegt habt«, sagte ich.
Pickelgesicht und seine Jungs schauten sich an.
»Hast du irgendetwas über sie zu sagen?«, fragte der Dicke.
»Nun, also nein, es ist nur so, dass wir daran gedacht hatten, sie bei unserem Festival auftreten zu lassen, und natürlich wissen wir, dass wir das zuerst mit euch besprechen müssen.«
»Hör zu, bescheiß mich nicht, Mann. Vielleicht können wir das nicht hier und jetzt regeln, aber sobald wir draußen sind, solltest du dich besser bereit halten. Das wird dich wenigstens einen Arm kosten.«
Meine Beine begannen wieder zu zittern. Die Drohung klang ziemlich ernst, wenn sie von einem Hardboy der alten Schule wie Pickelgesicht kam.
»Ihr habt Eintrittskarten für ’ne Party verkauft«, sagte er. Er meinte die Karten für das Morgenlatten-Festival.
»Ja.«
»Haltet ihr das für richtig, wenn Oberschulpenner rumlaufen und so was machen?«
»Ah, aber weißt du, wir haben nicht vor, damit Geld zu machen, es ist nur so, dass wir eine Menge Kosten haben - die Miete für die Halle und den Verstärker und den Filmprojektor und so.«
Die Café Royal wurden serviert. Auf jeder Tasse lag ein Löffel, auf dem ein mit Brandy getränkter Zuckerwürfel mit hellblauer Flamme brannte. Es war unwahrscheinlich, dass einer aus Pickelgesichts Gang so was schon mal gesehen hatte; ihre Unterkiefer klappten herunter, und sie starrten auf ihre Tassen wie die Leute im alten Tokio, als sie zum ersten Mal einen Elefanten sahen. Es war allerdings entmutigend, dass Adama die
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