7 Minuten Zu Spät
Und Pam war überfallen worden, als sie versucht hatte, etwas darüber zu erfahren.
»Das Haus, in dem Sie wohnen, gehört Julius Pollack allein«, fuhr Judy fort, die auf einmal erstaunlich gut informiert war.
»Nicht Metro. Ich habe den Eindruck, dass Ihre Kündigung eine sehr persönliche Angelegenheit ist und überhaupt nichts mit Metro Properties zu tun hat.«
Sie lächelte Alice an und zeigte dabei überraschend schöne, weiße Zähne.
»Alice!«, rief Mike. Er war schon ein ganzes Stück entfernt, weil die Kinder nicht stehen bleiben wollten.
Judy wandte sich zum Gehen. »Wegen des Angebots sage ich Ihnen Bescheid. Es ist ein wunderschönes Haus, finden Sie nicht?« Dann überquerte sie die Straße, ohne Alices Antwort abzuwarten.
Am Eingang zum Carroll Park holte Alice ihre Familie ein.
Nell und Peter liefen zwei getrennte Wege zur Parkmitte, aber kaum war er losgelaufen, kam Peter auch schon wieder weinend zu seinen Eltern zurück.
»Wo ist mein Feuerwehrauto?« Er drückte sein Gesicht an Alices Bauch.
Alice streichelte ihm über die Haare. »Hast du es jetzt gerade verloren? Hier im Park?«
»Nein!« Er weinte lauter.
Nell kam ebenfalls zurückspaziert, mit dem überlegenen Gesichtsausdruck, der bedeutete, dass sie etwas wusste, was ihnen entgangen war.
»Er hat es im Haus vergessen«, sagte sie. »Als wir nach oben gegangen sind.«
»Wusstest du, dass er es da gelassen hat?«, fragte Mike verärgert.
»Ich habe gesehen, wie er es hingelegt hat, aber ich habe nicht geglaubt, dass er es da lässt.«
»Okay, Süßer«, sagte Alice. »Ich rufe Judy an und bitte sie, uns das Auto wiederzubeschaffen. Wenn wir wissen, wo es ist, ist es nicht wirklich verloren. Du bekommst es wieder zurück, das verspreche ich dir.«
Beruhigt rannte Peter zum Spielplatz und kletterte die Leiter zur Rutsche hinauf. Alice zog die Visitenkarte hervor, die Judy ihr gegeben hatte, weil sie hoffte, darauf eine Handynummer zu finden, unter der sie die Frau erreichen konnte, aber es war nur eine Büronummer angegeben. Insgeheim erleichtert darüber, dass sie nicht schon wieder mit der etwas merkwürdigen Frau sprechen musste, hinterließ Alice eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter im Büro.
Judy erwiderte ihren Anruf erst am darauf folgenden Abend. Alice fand, dass ihre Stimme sehr undeutlich klang, als sie ihr eine Nachricht hinterließ.
»Herzlichen Glückwunsch, sie haben Ihr Angebot akzeptiert! Außerdem habe ich das Feuerwehrauto Ihres Sohnes gefunden. Es steckt jetzt in meiner Tasche. Ich bin morgen den ganzen Tag zu Hause, weil ich auf den Reparaturdienst für meine Spülmaschine warten muss, als ob ich zwischen acht und fünf nichts Besseres zu tun hätte! Zwischen acht und fünf! Als ob ich nichts Besseres zu tun hätte!«
Alice war sich nicht ganz sicher, aber bevor Judy den Anruf mit ihrer Privatadresse beendete, schien ihre Stimme zu brechen. Weinte sie etwa?
KAPITEL 26
J udy Gersten wohnte an der Douglas Street, in einem der blauen Häuser, die sich von den typischen Brownstones abhoben. Alice stieg die Vordertreppe hinauf, läutete und wartete. Es war erst Viertel vor neun, aber Judy hatte ja ausdrücklich erwähnt, dass sie von acht bis fünf auf den Reparaturdienst warten müsse, also konnte Alice ja nicht zu früh vorbeigekommen sein. Aber niemand öffnete. Alice ging durch den Kopf, dass sie gar nichts über Judy wusste, ob sie allein lebte oder eine Familie hatte. Und sie hatte gestern Abend so durcheinander geklungen, vielleicht war ja etwas geschehen. Alice läutete noch einmal.
Endlich ging die Haustür einen Spalt weit auf und Judy musterte ihren Besuch. Anscheinend erkannte sie Alice nicht. Alice wollte sich fast schon entschuldigen und zurückziehen, aber sie hatte Peter versprochen, dass er heute nach der Schule sein Feuerwehrauto zurückbekommen würde.
»Bin ich zu früh?«, fragte sie. »Ich komme wegen des Spielzeugautos meines Sohnes.«
Judy öffnete die Tür. Sie trug einen champagnerfarbenen Satin-Morgenmantel, der über einer Jogginghose und einem Männerunterhemd auseinander klaffte. Ohne die Fassade aus Berufskleidung wirkte sie ungeschützt. Seltsamerweise sah sie älter und jünger zugleich aus, und Alice fühlte sich zu dieser Judy wesentlich mehr hingezogen als zu der Immobilienmaklerin, die ihr das Haus gezeigt hatte. Allerdings änderte sich das, als sie anfing zu reden.
»Es ist gleich da drüben«, sagte Judy. »Ich hole es.«
Sie stank nach Whiskey. Das war es also:
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