7 Minuten Zu Spät
Cattaneo entdeckt hatte, sondern dass sie das am Ende des Arbeitstages Sylvie gegenüber erwähnte. »Das war vielleicht ein Tag«, hatte sie zu Sylvie gesagt, als sie am Abend vor dem Überfall das Büro zusammen abschlossen. »Bitte, erzähl mir nicht auch noch, dass du adoptiert bist.« Sylvie hat sie so fassungslos angeschaut, dass Pam das Thema nicht weiterverfolgte, und natürlich erzählte sie der Aushilfe auch nicht, was sie über ihre Chefin herausgefunden hatte.
Am nächsten Morgen erschien Sylvie unangekündigt bei Pam zu Hause, kurz vor ihrem Termin mit Alice am Third Place.
»Judy hat mir gesagt, ich solle mitkommen«, erklärte sie mit ihrem süßen Lächeln.
Sie trank noch einen Kaffee mit Pam. Pam hatte eigentlich vorgehabt, zu Fuß zum Third Place zu gehen, aber Sylvie gab vor, sich beim Sport am Fuß verletzt zu haben, deshalb beschlossen sie, mit dem Auto zu fahren. Gemeinsam gingen sie in die Garage und setzten sich ins Auto.
»Und auf einmal schaute Sylvie mich mit einem Furcht erregenden Gesichtsausdruck an und drückte mir den Lauf einer Pistole an den Hals«, sagte Pam.
Das war das Letzte, an das sie sich erinnerte.
Danach blieben sie nicht mehr lange im Krankenhaus. Pam war völlig erschöpft, und die Ermittler hatten alles, was sie brauchten. Alice küsste Pam zum Abschied auf die Stirn und versprach ihr, sie bald wieder zu besuchen. Sie roch nach Krankenhaus, und Alice fehlte der Duft nach Babypuder.
»Wenn Sie das nächste Mal kommen, fotografiere ich Sie für das Album«, sagte Ray.
»Okay.« Alice schüttelte ihm die Hand und umarmte Esther.
»Passen Sie gut auf sie auf.«
»Auf jeden Fall.« Esther lächelte und enthüllte dabei gelbliche, schiefe Zähne, die so aussahen, als seien es alle noch ihre eigenen. »Abgesehen von Ray ist sie alles, was ich habe.«
Frannie und Giometti bestanden darauf, Alice an Simons Haus abzusetzen. »Gehen Sie nirgendwohin«, sagte Frannie, als Alice ausstieg.
Alice zögerte. »Ist das ein Befehl?« Sie lächelte, als ob sie einen Witz machte, aber alle wussten, dass das nicht der Fall war.
»Eigentlich nicht.« Frannie beugte sich aus dem Fenster. Man sah ihr an, wie erschöpft sie war. »Aber es könnte sein, dass wir Sie brauchen, Alice. Die Spurensicherung hat die Fingerabdrücke am Tatort analysiert. Wir haben nur die von Sylvie gefunden, abgesehen von einem Dutzend Fahrern von Mr. Frosty, die wir alle einzeln verhört haben.«
»Und von Julius Pollack oder Sal Cattaneo haben Sie nichts gefunden?«
»Nein. Auch nicht von Judy Gersten, falls Sie sich das gefragt haben sollten.«
»Dann hat Sylvie die Tat also allein begangen?«
Die Polizistin schüttelte den Kopf, aber obwohl sie es nicht aussprach, hörte Alice sie förmlich sagen: Keine Vermutungen.
KAPITEL 42
D ie Freunde beschlossen, ihr normales Leben wieder aufzunehmen; das war nach Meinung aller am besten für die Kinder und auch für sie selbst. Und so brachten Mike und Simon Ethan, Nell und Peter am nächsten Tag in ihre jeweiligen Schulen. Mike fuhr in seine Werkstatt und Simon gab Unterricht. Maggie und Alice hatten ein wenig Ruhe allein im Haus, bevor sie um elf Uhr das Blue Shoes aufmachen mussten. Zwei Tage waren seit Sylvies Flucht vergangen und einer, seitdem Pam aufgewacht war. Wenn heute etwas Entscheidendes passieren sollte, dann wussten die Ermittler, wo sie zu finden waren.
Kurz nach neun läutete es an der Tür. Alice und Maggie, die gerade in der Küche frühstückten, blickten einander an.
»Vielleicht sollten wir gar nicht erst aufmachen«, meinte Maggie.
»Wahrscheinlich ist es nur irgendein Bote.« Alice zog ihren rosafarbenen Chenille-Morgenmantel fester um ihren dicken Bauch. »Oder«, sie lächelte verschmitzt, »es ist Simons Geliebte.«
»Oder ein Irrer, der dich umbringen will.« Maggie lachte, und die beiden Frauen liefen in die Halle. Maggie war als Erste an der Tür und machte sie auf.
Vor der Tür stand Lizzie in voller kalifornischer Pracht – gebräunt in einem blassgelben Overall – und streckte ihnen die Zeitung entgegen.
»Mom!«, rief Alice.
»Mein Liebes.« Lizzie umarmte Alice, die sich glücklich an ihre Mutter schmiegte. »Unter den Umständen konnte ich doch nicht zu Hause bleiben.«
Alice wischte ihrer Mutter die Mascara-Tränenspuren von den Wangen. »Den Kindern geht es gut«, sagte sie.
»Sie sind schon wieder in der Schule. Alles ist in Ordnung.«
»Das ist ja wohl kaum möglich.« Lizzie gewann die Fassung wieder.
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