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70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

Titel: 70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nichts, wenn ich nur einstweilen so viel bekomme, daß ich im Gasthof logieren kann.“
    „Das ist nicht nötig. Sie werden hier im Schloß ein Zimmer und alles Nötige erhalten. Ist Ihnen das recht?“
    „Vollkommen, vollkommen!“ rief er erfreut.
    Sie klingelte und befahl dem eintretenden Diener das Nötige. Dieser nahm Keilberg mit sich fort; auf ein abermaliges Klingeln erschien ein anderer Diener, dem sie befahl, den Fremden als Gefangenen zu betrachten und ihn so zu bewachen, daß er das Schloß ohne ihre Erlaubnis nicht verlassen könne.
    Dann blieb sie lange, lange Zeit einsam in ihrem Zimmer. Sie klingelte nicht nach Licht, sie befahl nicht, zum Abendmahl zu decken. Die Dienerschaft wurde besorgt um die von allen geliebte Herrin.
    Es war dieser fremde Kerl gekommen. Er hatte gegen alle Voraussicht ein Zimmer angewiesen erhalten, und das gnädige Fräulein hatte den Befehl erteilt, ihn wie einen Gefangenen zu bewachen. Das war eine Außerordentlichkeit, welche sich niemand erklären konnte.
    Der Hausmeister erzählte, was er mit diesem Fremden gesprochen hatte. Das Auftreten desselben war ein so selbstbewußtes, ja sogar drohendes gewesen. Was hatte er gewollt? Was war geschehen oder was sollte noch geschehen? Die Herrin ließ sich nicht sehen. Man bekam Angst, und es wurde beschlossen, daß die Zofe es wagen solle, ungerufen bei dem gnädigen Fräulein einzutreten.
    Sie klopfte an deren Tür, aber es erfolgte von innen keine Antwort. Da trat sie ein.
    Es war dunkel in dem Zimmer. Nur der Schein der draußen vor dem Schloß brennenden Laternen warf einen leisen, ungewissen Schimmer herein.
    „Gnädiges Fräulein!“ sagte sie in bittendem Ton.
    Sie erhielt keine Antwort.
    „Mein liebes, gnädiges Fräulein!“
    Da erklang es leise aus der Gegend, in welcher das Sofa stand:
    „Was willst du?“
    „Ich wollte fragen, ob Sie nichts zu befehlen haben.“
    „Nein.“
    „Wollen Sie nicht speisen? Die Zeit ist ja längst vorüber.“
    „Ich danke!“
    „Oder soll ich Licht bringen?“
    „Nein. Das Dunkel tut mir wohl. Laß mich jetzt so hier bleiben.“
    Das klang wie aus gewaltsam unterdrücktem Schluchzen heraus. Die Zofe entfernte sich wieder. Draußen standen die andern und fragten, wie sie die Gnädige gefunden habe.
    „Sie weint. Sie will ungestört sein. Sie muß etwas sehr Schlimmes gehört haben. Wer weiß, was für eine Botschaft dieser Mensch gebracht hat. Jedenfalls betrifft dieselbe ihren Vater. O dieser Baron, dieser Baron!“
    Die Dienerschaft ging auseinander. Die Leute verhielten sich ruhig und traten ganz leise auf, um die liebe Herrin nicht zu stören. Aber so ganz allein bleiben sollte diese letztere doch nicht, denn nach einiger Zeit kam die Frau Bürgermeisterin Holberg, die Mutter des Lehrers Walther in Hohenwald. Es war um diese Stunde ihre gewöhnliche Besuchszeit.
    Es wurde ihr gar nicht gesagt, daß das Fräulein allein zu sein wünsche. Bei der vertrauten herzlichen Art und Weise, in welcher beide miteinander verkehrten, verstand es sich ganz von selbst, daß sie angemeldet wurde, und bei dieser Gelegenheit trug die Zofe die Lampe in das Gemach des Fräuleins.
    Frau Holberg wurde auch empfangen. Als sie eintrat, erhob Milda sich vom Sofa. Ihr Gesicht war bleich und zeigte die Spuren vergossener Tränen.
    Frau Holberg bemerkte dies und erschrak. Das ihr entgegengestreckte Händchen ergreifend, fragte sie besorgt:
    „Liebes Kind, du hast geweint, wie ich sehe! Darf ich erfahren, was dein Herz in dieser Weise betrübt?“
    Milda schlang die Arme um sie und brach in neue Tränen aus. Sie konnte vor Schluchzen keine Antwort geben.
    „Um Gottes willen, was ist geschehen! – Es muß etwas sehr Trauriges sein.“
    „Unendlich traurig! So traurig, daß es kaum zu ertragen ist.“
    „Laß mich's erfahren! Öffne mir dein Herz! Mitteilung erleichtert ja immer die beschwerte Seele. Wer trägt die Schuld, mein Kind?“
    „Er, immer nur er!“
    „Wer? Etwa dein Vater?“
    „Ja. Wer sollte es sonst sein! Er allein ist es, von welchem mir alles Herzeleid kommt, er ganz allein.“
    „Er, nur immer er! Welch ein Mann! Was er früher getan hat, das mag immerhin vergessen sein; aber daß er heut noch derselbe ist wie früher, das kann ihm nicht vergeben werden. Komm, meine Milda, setz dich und erzähle mir.“
    Sie zog sie auf das Sofa nieder und setzte sich neben sie. Die Anwesenheit der mütterlichen Freundin verfehlte ihre Wirkung auf das tiefbetrübte Mädchen nicht. Milda fand die

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