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70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

Titel: 70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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annehmen möchte, die Sache sei verjährt.“
    „Mag sein, daß er nicht bestraft werden kann, aber seine Person ist unbedingt nötig zum Beweis gegen meinen Vater. Und da er ein Zuchthäusler und wahrscheinlicher Landstreicher ist, so wird es auf alle Fälle geraten sein, ihn festzunehmen und auch festzuhalten.“
    Sie sagte das mit solcher Energie, daß Frau Holberg sie mit fast erstauntem Blick ansah und dann in mildem Ton sagte:
    „Du scheinst wirklich fest entschlossen, keinerlei Rücksicht gegen deinen Vater walten zu lassen.“
    „Ja, das bin ich. Eine jede Tat verpflichtet zur Tragung der Folgen, welche aus ihr entspringen. Wer den Mut besitzt zu sündigen, muß auch den Mut haben, die Strafe auf sich zu nehmen. Ich bin keineswegs gewillt, der Mitschuldige dessen zu werden, welcher sich zwar mein Vater nennt, aber niemals väterliche Gefühle für mich besessen hat. Wie oft habe ich bedauert, meine Mutter verloren zu haben. Heut aber preise ich Gott, daß er sie zu sich genommen hat. Ihr ist dadurch großes Herzeleid erspart worden. Nun bin ich es allein, die die schwere Last zu tragen hat, im Vater einen gewissenlosen Verbrecher erkennen zu müssen. Oh, Mutter, Mutter, meine liebe, gute Mutter!“
    Sie faltete die Hände über die Brust und brach in Tränen aus. Mehr um sie von ihrem Herzeleid abzubringen als aus wirklicher Neugierde, sagte Frau Holberg:
    „Ich möchte sie wohl gekannt zu haben.“
    „Sie ist eine schöne Frau gewesen. Ihr Äußeres hat aber unter dem fortwährenden stillen Kummer, den sie zu tragen hatte, notwendiger- und begreiflicherweise sehr gelitten. Ihr Miniaturbild hast du ja wohl gesehen?“
    „Du hast es mir gezeigt.“
    „Aber das größere noch nicht. Komm in mein Büro, du sollst es sehen.“
    Sie nahm die Lampe und schritt voran, nach einem größeren Zimmer, welches in demselben Korridor lag. Dort traten sie ein und zogen die Türe hinter sich zu.
    Milda hatte zwar den Befehl gegeben, Keilberg ein Zimmer anzuweisen, doch war es ihr nicht als nötig erschienen, ein gewisses Zimmer zu bezeichnen. Er sollte bewacht werden. Aus diesem Grund hatte ihn der Hausmeister in ein einfenstriges, kleines Zimmer geführt, welches auch in dem Korridor lag. Hier war die Dienerschaft stets vorhanden, und darum konnte er leichter und unauffälliger beobachtet werden.
    Zufälligerweise nun stieß dieser sein gegenwärtiger Aufenthalt an das Büro, in welches die beiden traten.
    Er hatte ein Abendmahl erhalten. Eben saß er beim Essen, als er drüben die Tür gehen hörte. Er vernahm die Schritte der zwei ganz deutlich, obgleich ein großer weicher Teppich dieselben dämpfte und Damen gewöhnlich leiser auftreten als Männer. Der Grund davon war, daß es eine Verbindungstür zwischen den beiden Räumen gab.
    Sein Blick richtete sich unwillkürlich auf diese Tür, und er sah, daß der Schlüssel an seiner Seite steckte. Er trat rasch und leise hinzu, zog unhörbar den Schlüssel ab und blickte durch das Schlüsselloch.
    Er sah die Schloßherrin, welche die Lampe auf einen Tisch setzte. Neben derselben stand eine ältere Dame. Sie sprachen miteinander. Er hörte deutlich jedes Wort.
    „Ich habe das Bild noch nicht aufgehängt“, sagte Milda. „Ich war im Zweifel darüber, welchen Platz ich demselben geben müsse. Nun liegt es noch da im Depositenschrank. Den Schlüssel habe ich einstecken.“
    Sie zog denselben aus der Tasche und trat zu dem erwähnten Schrank.
    Er war ganz aus starkem Eisenblech gearbeitet, nach Art der feuerfesten Geldschränke, aber noch einmal so breit als einer derselben. Er stand gerade gegenüber der Tür, an welcher Keilberg lauschte. So klein das Schlüsselloch war, der Mensch konnte deutlich sehen, was drüben vorging.
    Milda öffnete den Schrank. Es dauerte eine längere Weile, bevor sie den Schlüssel ansteckte. Sie griff mit der linken Hand am Schloß herum. Jedenfalls war dort ein sogenannter Vexier- oder Sicherheitsapparat angebracht, welcher es einem Fremden, selbst wenn dieser den richtigen Schlüssel besaß, unmöglich machte, den Schrank zu öffnen.
    Als die beiden Türen des letzteren offen waren, nahm Milda das sorgsam eingeschlagene Porträt ihrer Mutter heraus, entkleidete es der Umhüllung und stellte es so, daß der Schein des Lichtes voll auf dasselbe fiel.
    „Das ist sie, das?“ sagte Frau Holberg. „Ja, hier ist sie deutlicher und sprechender als auf dem kleinen Elfenbeingemälde. Du siehst ihr außerordentlich

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