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70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

Titel: 70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sollte mich gefreun, wann er derwischt würde, denn nur ihm ganz allein hab ich mein Elend zu verdanken, meine Blindheit und alles, alles, was mir auf dem Herzen liegt.“
    Der Sepp nickte zustimmend vor sich hin. Sein altes, gutes Gesicht nahm den Ausdruck tiefsten Bedauerns an. Er wollte etwas sagen, doch hielt er es zurück. Er wußte, daß darauf eine Erörterung folgen werde, welche besser zu vermeiden war. Darum blieb er bei der Hauptperson, von welcher das Gespräch handelte, nämlich beim Samiel, und sagte:
    „Das glaub ich gar wohl, daßt dich freuen würdest, wenn er seinen Lohn bekäme. Er hat's nur ganz allein an dir verdient. Mir ist's ganz unbegreiflich, daß er dich damals nicht derschossen hat.“
    „Auch noch derschossen! Das fehlt noch grad!“
    „Mußt mich richtig verstehen, Kronenbauer. Der Samiel ist ein Wilddieb, Spitzbub und Räuberhauptmann. Wann so einer auf Raub ausgeht und sich nicht derwischen lassen will, so trägt er doch Waffen bei sich, um diejenigen, die ihn fassen wollen, niederzuschießen –“
    „Das tut er doch!“
    „Jawohl tut er das. Aber grad in dem Fall bei dir hat er es nicht tan.“
    „Oho! Er hat mich doch schossen!“
    „Mit Pulver nur hat er schossen, nicht aber mit einer Kugel. Er hat keine Kugel laden habt. Warum nicht? Darüber hab ich schon zuweilen nachdenken mußt. Ein Gewehr ohne Kugel kann ihm doch nix nutzen! Warum hat er grad bei dir keine in der Pistolen habt?“
    „Weil er mich nicht hat dermorden, sondern nur so schießen wollen, daß ich blind werden mußt.“
    „So ist's, so hab ich's mir auch denkt. Aber ich hab mich doch fragt, warum er das tan hat. Er hat doch andere derschossen, wann er von ihnen angriffen worden ist. Er muß also bei dir eine ganz besondere Ausnahme macht haben, die einen Grund haben muß. Wann man diesen Grund wissen tät, sodann –“
    Er hielt inne und schüttelte nachdenklich den Kopf.
    „Was wäre sodann?“ fragte der Bauer.
    „Sodann könnte man vielleicht derraten, wer er eigentlich ist.“
    „Meinst?“
    „Ja. Kennt man den Grund, warum er dich hat blind haben wollt, so kann man nachher auch weiter denken. Er hat es grad auf deine Personen abgesehen habt, also muß er ein Bekannter von dir sein und einen Profit davon haben, daßt nun erblindet bist.“
    Bei dieser Erklärung nahm das Gesicht des Bauern einen ganz eigentümlichen Ausdruck an. Er hob den Kopf empor. Seine Nasenlöcher erweiterten sich und sogen die Luft ein, als ob er einen Feind erwittern wollte. Es war, als ob er alle seine Gedanken und Sinne anstrenge, demselben auf die Spur zu kommen.
    „Hast recht“, sagte er, „hast recht! Er muß aus meiner Blindheit Nutzen ziehen. Aber wer könnte das sein, wer?“
    „Denk mal drüber nach. Hast nicht einen Feind, einen gar großen, unversöhnlichen und gottlosen? Denn die allergrößt Gottlosigkeit gehört dazu, einem das Licht aus den Augen zu schießen.“
    „Ich kenne keinen solchen.“
    „Ja, ich weiß, daß alle Leut dir freundlich gesinnt waren allezeit. Du bist zwar der Reichst und Vornehmst von ihnen gewest, aber einen Stolz hat es bei dir nicht geben, und Wohltun war immer deine Freud. Woher sollst da einen solchen Feind haben! Und dennoch muß es einen Menschen geben, der so gewaltig gegen dich ist. Wannst den nur derraten könntst. Der ist der Samiel, der und kein anderer nicht.“
    Die Züge des Blinden waren in reger Bewegung. Er gab sich die größte Mühe, sich einen so feindseligen Menschen zu denken. Seine Augen rollten in ihren Höhlen. In dem Weißen derselben konnte man kleine, blauschwarze Pünktchen sehen – die Pulverkörner, welche der Samiel ihm hineingeschossen hatte. Der ganze obere Teil des Gesichtes trug ähnliche Spuren, nur daß sie hier besser als in der Hornhaut des Auges verwachsen waren.
    „Ich kann absolutemang keinen finden, dem ich's zutrauen möcht“, sagte er. „Da führt all mein Sinnen und Denken zu keinem Ziel.“
    „So überlaß es dem lieben Gott. Der bringt's gewiß noch an den Tag.“
    „Das ist mein Trost. Ich weiß es ganz genau, daß es noch an den Tag kommen wird. Ich weiß es so genau, daß ich darauf schwören könnt.“
    „So? Wiefern?“
    „Ich hab's träumt.“
    „Ah! Träumen sind Schäumen.“
    „Nicht alle. Es gibt Träumen, denen man's gleich anmerkt, daß sie in Erfüllung gehen, daß sie eine Offenbarung sind. Und derjenige, den ich träumt hab, das war so einer.“
    „Nun, was hast denn träumt?“
    „Es hat mir träumt,

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