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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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vorerst nachschauen, ob alles in Ordnung ist. Wann so ein Junggesell in der Stuben wohnt, so ist's den ganzen Tag so, als ob ein Sturmwind gangen wär. Ich will hoffen, daß du – daß Sie ein Ordentlicher sind.“
    Sie brachte es doch nicht fertig, das Du länger beizubehalten. Die ganze Erscheinung des Königs war so ehrfurchtgebietend, daß ihr das höflichere Sie in den Mund kam.
    Sie eilte in die Küche, um eine Magd zu holen, welche ihr behilflich sein sollte, in der Wohnung des Grafen Ordnung zu schaffen.
    „Mach schnell!“ munterte sie das Mädchen auf. „Es ist ein neuer Gast da. Und der schaut mit solchen Karfunkelaugen drein, daß man gleich ganz still sein muß, wenn er einen anschaut.“
    Die Wohnung wurde im Flug hergerichtet, und dann begab sich die Bäuerin erst noch nach ihrer Stube, um sich noch ein wenig ‚schöner‘ zu machen. Sie hing eine Kette an, steckte einige goldene Nadeln in ihr Haar und band die schwerseidene Feiertagsschürze vor. Nun erst ging sie wieder hinunter unter den Baum.
    „Jetzt, wann 'S kommen wollen, können 'S sich das Logement anschauen“, sagte sie.
    Während ihrer Abwesenheit hatte sich der Ludwig verabschiedet, von dem Bauer und dem Sepp mit einem herzlichen Händedruck und von dem König und dem Geheimen Medizinalrat mit einer respektvollen Verneigung. Dieser letztere hatte sich dann mit dem Bauer unterhalten und dabei seinen forschenden Blick auf die Augen des Blinden gerichtet gehalten. Der König hatte still dabei gesessen und sich begnügt, die frische, erquickende Luft des nahen Hochwaldes einzuatmen.
    Jetzt folgte er der Aufforderung der Bäuerin, und der Arzt schloß sich den beiden an. Sepp blieb bei dem Bauern zurück.
    „Du, Sepp“, sagte dieser in einem ganz eigentümlichen, tiefen, schweren Ton, „mir ist so ganz fremd zumute.“
    „Warum denn?“
    „Diese Stimme, diese Stimme!“
    „Welche denn! Welche meinst?“
    „Dem Herrn Ludwigen seine.“
    „Was ist's denn mit ihr?“
    „Die hab ich schon mal hört; ja, ich hab sie hört. Ich hab lange nachdenkt, als er so still dasaß, wo ich sie hört hab, und dann hab ich mich darauf besonnen.“
    „Das tu ich bezweifeln. Ich glaub es halt nicht, daßt sie hört hast. Er ist aus dem München. Dort bist sicherlich nicht mit ihm zusammenkommen.“
    „Nein, sondern hier.“
    „Auch da nicht. Er ist noch nie hier gewesen.“
    „O doch!“
    „Nein. Ich weiß das genau.“
    „Und ich weiß es ebenso genau. Freilich in der Wirklichkeit ist's nicht gewest, sondern nur im Traum.“
    „Ach so! Hast von ihm träumt?“
    „Ja, kannst dich nicht auf den Traum besinnen, von dem ich dir gestern verzählt hab?“
    „Ja, das fallt mir ein.“
    „Von dem Herrn, der zu uns kommen ist, und von dem Doktor, der bei ihm war und mir das Augenlicht wiedergeben hat!“
    „Meinst, daß sie es sind?“
    „Ja, es sind ihre Stimmen, ganz genau von demselbigen Klang, wie sie im Traum sprochen haben. Da im Traum hab ich dann auch ihre Gesichter sehen und ihre Gestalten. Wann ich nicht blind wär, so würd auch dieses stimmen; ich fühl es; ich weiß es und könnt gleich um alles wetten.“
    Er hatte das schnell, fast atemlos gesagt, er befand sich in einer innerlichen Aufregung, welche sich auch seinem Äußeren mitteilte.
    „Bring dich nicht auf!“ warnte der Sepp. „Man soll nicht an Träume glauben.“
    „Das weiß ich, und ich bin ja sonst gar kein Leichtgläubiger. Dieser Traum aber war so licht, so hell, so deutlich, als ob der liebe Herrgott ihn mir geschickt hätte. An ihn möcht ich glauben.“
    „Wann er was zu bedeuten hätt, so sollt es mich freuen. Aber du mußt dich in acht nehmen. Wer zu viel hofft, der ist nachher, wann die Hoffnung zuschanden wird, doppelt unglücklich.“
    „Auch das weiß ich; aber ich hab ein Gefühl, welches ich gar nicht beschreiben kann, ein Gefühl, als ob was recht Großes und Gutes mit mir vorgehen müßt. Ich kann nicht dafür. Ich will auch nicht, daß es mich überwältigen soll; aber ich kann es nicht beherrschen. Ich möcht; ich möcht – ja, was möcht ich denn gleich? Beten, beten, beten!“
    Er lehnte sich an den Stamm des Baums und faltete die Hände. Der Sepp schwieg. Er wollte den Unglücklichen in seiner Andacht nicht stören.
    So saßen beide, bis die Bäuerin kam und strahlenden Auges bemerkte:
    „Sie sind beid mit ihren Stuben zufrieden, der eine grad so wie der andere. Dieser Herr Ludwigen muß aber doch ein gar vornehmer Herr sein.“
    „Warum?“

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