Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
mich ist diese Summe eine Kleinigkeit, für ihn aber ein Kapital.“
    „Wann wird er beginnen?“
    „Vielleicht bereits heut.“
    „Darf ich erfahren, wie dieser unternehmende Mann heißt?“
    „Ich habe ihm versprechen müssen, das zu verschweigen.“
    „Auch welchen Grafennamen er tragen wird?“
    „Auch das. Übrigens geht mich das gar nichts an. Er mag einen Namen wählen, welchen er will. Ich bin aber überzeugt, daß ich gezwungen sein werde, ihm die Fünfzehnhundert auszuzahlen.“
    „So sicher bist du also der Balletteuse! Ihr habt euch also, sozusagen, bereits heimlich verlobt?“
    „O nein. Es ist bis jetzt noch nicht einmal zu einem perfekten Liebesgeständnis gekommen; aber wir stehen in einem stillen, aber so festen Einvernehmen, daß ich gar keine Sorge zu haben brauche.“
    „Männchen, du scheinst dich für einen sehr guten Menschenkenner zu halten!“
    „Was die Frauen anbelangt, ja. Ich habe zwar erst seit zwei Jahren mir da eine Abwechslung gegönnt; diese ist aber eine so reichhaltige gewesen, daß ich mir wohl schmeicheln darf, ein Kenner zu sein.“
    „Jedenfalls hast du auf deiner amerikanischen Tournee interessante Bekanntschaften gemacht?“
    „Natürlich! Vorher wäre ich beinahe in das Netz einer Sirene geraten, welche alle neunundneunzig Teufel im Leib hatte. Ich befand mich so fest an ihrer Angel, daß sie mich hinziehen konnte, wohin es ihr beliebte. Es hat Mühe gekostet, wieder frei zu werden. Sie war eine wirkliche Liebeskünstlerin!“
    „Also wohl eine Schauspielerin?“
    „Nein, sondern ganz im Gegenteil eine Dame der Aristokratie. Hast du nicht einmal den Namen Asta, Baronesse von Zolba gehört?“
    „Ach! Meinst du die junge, außerordentlich interessante Dame, welche damals so viel im Haus des Barons von Alberg verkehrte?“
    „Ganz dieselbe.“
    „Die habe ich sogar genau gekannt, vielleicht genauer, als du ahnen wirst!“
    „Ach! Ist's möglich? War sie eine Liaison von dir?“
    „Beinahe wäre ich in ihre Netze gegangen.“
    „Wirklich nur beinahe?“
    „Ja, in Wahrheit. Ich interessiere mich allerdings außerordentlich für sie, denn sie war wirklich begehrenswert, wenn man sie nicht näher kannte. Als ich aber die Bemerkung machte, daß sie sich nicht schwer erobern ließ, erkundigte ich mich nach ihr und erfuhr, daß sie sich der Herrenwelt gegenüber sehr entgegenkommend zeige. Da ließ ich sie natürlich fallen.“
    „Ganz so wie ich. Auch ich machte die Erfahrung, daß ich nicht der einzige war, der sie liebte.“
    „Man hat nichts mehr von ihr gehört. Sie soll mit dem Baron von Arlberg nach Amerika gegangen sein.“
    „Wirklich? Ich entsinne mich nicht genau. Sagte man nicht, daß er aus gewissen Gründen zu dieser Reise gezwungen worden sei?“
    „Ja. Seine eigene Tochter, die Schloßherrin auf Steinegg, soll ihn gezwungen haben. Drüben ist er bald gestorben. Sein Totenschein wurde herübergeschickt, Baronesse Asta ist seitdem verschollen.“
    Da trat der Diener herein und brachte auf einem Teller einen Brief, welcher soeben vom Briefträger abgegeben worden war.
    „Gib ihn dem Herrn Baron“, befahl der Sänger. „Er mag ihn öffnen!“
    Der Diener tat dies und entfernte sich dann wieder. Der Baron hatte den Brief genommen, drehte ihn in den Händen hin und her und fragte verwundert:
    „Wie kommt es, daß du mir das Amt deines Privatsekretärs übergibst?“
    „Aus dem sehr einfachen Grund, daß ich jetzt nicht lesen kann. Dieser verteufelte Burgunder treibt mir das Blut so nach dem Kopf, daß es mir vor den Augen in allen Farben schillert. Die Buchstaben würden vor meinem Blick tanzen. Ich kann nicht lesen, bitte, unterziehe dich der kleinen Mühe!“
    „Es könnte aber etwas Diskretes sein.“
    „Vor dir habe ich kein Geheimnis.“
    „Vielleicht eine Rechnung?“
    „Die dürftest du erst recht lesen. Aber ich bin ja erst drei Wochen hier, in Wien habe ich nichts dergleichen zu erwarten. Wie ist die Adresse?“
    „Herrn Guiseppe Criquolini, Sänger. Auch die Straße und Hausnummer ist ganz richtig angegeben.“
    „So! Und die Handschrift?“
    „Eine sehr geübte Männerhand.“
    „Dann bin ich wirklich neugierig – ah, welch ein Poststempel?“
    „Salzburg.“
    „Wüßte wirklich nicht, wer mir von dort her zu schreiben hätte! Brich auf und sei so gut, ihn mir vorzulesen!“
    Der Baron folgte dieser Aufforderung. Er nahm den Bogen aus dem Kuvert und las ohne die Zeilen vorher zu überfliegen:
    „Elsbethen, den 20. März

Weitere Kostenlose Bücher