71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil
hinter ihm.
Es war der Graf von Senftenberg mit seinem Reitknecht.
„Holla, was ist hier los!“ rief er, indem er sein Pferd zügelte.
„Alle Wetter, der Graf!“ lachte Anton. „Den haben wir freilich nicht zu fürchten. Ein Abenteuerchen, ein interessantes Abenteuerchen, weiter nichts!“
Er rang weiter mit Martha.
Leni rief, indem sie durch kräftige Stöße den Baron von sich abzuhalten suchte:
„Herr Graf, wir sind überfallen worden, wir sind nur arme Dienstboten, aber Sie sind ein Ehrenmann und werden uns in Ihren Schutz nehmen.“
„Natürlich, natürlich!“ antwortete er. „Bitte, Baron, bitte, Signor Criquolini, geben Sie die Damen frei!“
„Unsinn!“ rief der Sänger.
„Ich verlange es!“
„Pah!“
„Gut, so befehle ich es!“
Das rief er mit erhobener Stimme.
„Befehlen?“ entgegnete Anton, Martha noch immer festhaltend.
„Ja, ich befehle es!“
„Das fehlt noch! Wer hat uns zu befehlen, wer?“ fragte der Baron höhnisch.
„Diese hier, nämlich die Peitsche!“
Bei diesen Worten spornte der Graf, daß sein Pferd einen Satz tat bis hart an den Baron heran, holte aus und gab diesem einen Peitschenhieb quer über das Gesicht herüber.
Der Getroffene brüllte auf vor Schmerz und schlug beide Hände vor das Gesicht.
„Nun, Criquolini, wollen auch Sie geschlagen sein?“
Indem der Graf diese Frage aussprach, wendete er sein Pferd gegen den Sänger.
„Wagen Sie es!“ drohte dieser.
Mit der Linken Martha festhaltend, hielt er dem Grafen die geballte Rechte entgegen.
„Kerl, drohst du meinem Herrn!“ rief der Reitknecht. „Da ist der Lohn!“
Er schlug mit dem Stiel der Reitpeitsche so kräftig auf den erhobenen Arm, daß der Sänger denselben sofort sinken ließ. Der Getroffene brüllte weniger vor Schmerz als vielmehr vor Wut laut auf. Seine Älplernatur erwachte. Er tat einen Sprung auf den Reitknecht zu. Dieser aber, ein altgedienter, gewandter Kavallerist, nahm sein Pferd vorn hoch, daß es mit den Hufen ausschlug und Anton schnell zurückweichen mußte.
„Graf Senftenberg“, knirschte er. „Das werde ich Ihnen gedenken!“
„Immerhin!“ antwortete dieser ruhig. „Nur weiß ich nicht, wie Sie das anfangen wollen.“
„Sie werden mir Genugtuung geben!“
„Ja, Genugtuung!“ brüllte der Baron, mit der einen Hand die Schwiele bedeckend, welche sich quer über sein Gesicht zu ziehen begann. „Wir werden Sie fordern und Ihnen unsere Zeugen schicken!“
„Mich fordern? Was fällt Ihnen ein! Ein Graf Senftenberg schlägt sich mit Falschspielern und Menschen, welche brave Mädchen auf der Straße überfallen, nicht. Solche Strolche sind nicht satisfaktionsfähig. Man haut sie nur mit der Peitsche durch!“
Der Baron war feige. Er hatte für diese verächtlichen Worte keine Entgegnung. Der Krickel-Anton aber ballte beide Fäuste, zog die Ellbogen an sich, duckte sich wie zum Sprung nieder und rief:
„Nehmen Sie diese Worte augenblicklich zurück oder –!“
„Nein!“
„So sollen Sie sogleich erfahren, daß –“
Er holte bereits zum Sprung aus. Er war der Mann, dem man es zutrauen konnte, daß er sich zu dem Grafen auf das Pferd schwingen werde. Da aber trat Leni schnell vor ihn hin.
„Halt, Landstreicher!“ rief sie ihm zu. „Willst dich an einem Ehrenmann vergreifen! Dazu bist dera Kerl noch lange nicht. Schäm dich in deine Seele hinein, daßt so ein Lodrian worden bist. Deine Eltern werden sich vor Herzeleid ins Grab legen wollen, wann's hören, wie weit es bereits mit dir kommen ist. Troll dich von dannen und laß brave Leut in Ruh!“
Er starrte sie an, ohne sich zu rühren.
„Was –!“ fragte er. „Wie – wo – wer bist, daßt's wagen kannst, mir solche Worte ins Gesicht zu schleudern?“
„Wer ich bin? Da schau her! Ich kann dir mein Gesicht zeigen, ohne mich schämen zu müssen.“
Sie nahm den Schleier weg. Er trat um einen Schritt zurück und rief erstaunt:
„Die Leni, die Muren-Leni! Ah, du bist's, du machst mir die Predigt! Und dabei gehst mit Dienstboten auf den Raub aus, um Männer zu fangen! Schau, was aus dir geworden ist! Da ist wohl auch dein Wurzelsepp bei dir und macht den Kassierer? Komm, Baron, da sind wir schön angeflogen! Wann ich wußt hätt, daß es zwei solche Vögel sind, so hätt ich mir doch lieber die Hand abhaut, als daß es mir einifallen wär, sie anzugreifen. Komm! Wir wollen sie dem Grafen lassen. Der hat's verdient, daß wir sie ihm schenken.“
Er ergriff den Baron beim Arm und
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