71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil
so?“
„Ja.“
„Ah, das ist stark!“
„Allerdings. Es ist sogar stärker als Sie denken. Passen Sie auf. Ich werde es Ihnen zeigen. Christel!“
Sie rief laut, und die Magd trat ein. Die Bäuerin zeigte auf den Baumeister und sagte:
„Also du kennst diesen Mann. Wer ist er?“
„Dera Maurer, der unser neues Haus baut hat.“
Sie antwortete gedehnt und tonlos, wie Blöde zu sprechen pflegen.
„Schön. Kannst du etwas von ihm erzählen?“
Das Mädchen lachte breit und vergnügt und antwortete:
„Viel!“
„Was denn?“
„Als mich die Bäuerin da hier in dera Stuben hat schlafen lassen, da ist er zu mir kommen.“
„Hast du mit ihm sprochen?“
„Nein. Die Bäuerin hat mir's verboten habt.“
„Hat er sprochen?“
„Auch nicht.“
„Was hat er denn tan?“
„Er hat mich angreifen wollt.“
„Und du?“
„Ich hab's nicht litten, sondern ihm eine tüchtige Schellen geben. Nachher hat er gehen wollt, aberst nicht hinaus könnt, weil die Bäuerin zuschlossen hat. So hat er in dera Stuben sessen auf dera Dielen und wartet bis früh, wo die Bäuerin wiederum aufischlossen hat.“
„Gut! Kannst gehen.“
Die Magd ging und warf dem Baumeister noch einen freudegrinsenden Blick zu, als ob sie sagen wolle:
„Siehst du, daß ich zehnmal gescheiter gewesen bin als du!“
Nun wendete sich die Bäuerin wieder zu ihm.
„Nun, Herr Baumeister, was sagen Sie dazu?“
Er stand ganz starr da und schaute nach der Tür, hinter welcher die Magd verschwunden war. Die Bäuerin konnte sich nicht halten. Sie brach bei dem Anblick seiner perplexen Miene in ein lautes Gelächter aus.
„Die, die ist's gewesen?“ stieß er endlich hervor.
„Ja, die!“
„Und ich hab – ich hab sie mit aller Gewalt geküßt, obgleich sie sich auch dagegen wehrte!“
„Wie hat's geschmeckt?“
„Und die Ohrfeige! Ja, so eine Pfote, wie die hat, da war es gar kein Wunder, daß mir die Funken aus den Augen sprangen!“
„Aber trotz dieser Funken haben Sie nicht gesehen, daß Sie eine Falsche vor sich hatten. Anstatt der Erfüllung Ihrer Wünsche haben Sie Ohrfeigen erhalten, und trotzdem erzählen Sie im Wirtshaus Dinge, welche gar nicht geschehen sind! Ich verlange von Ihnen, daß Sie dort erklären, daß Sie im Rausch die Unwahrheit gesagt haben. Ich gebe Ihnen bloß noch heute Zeit dazu. Fahren Sie jetzt hin, und tun Sie es, sonst lasse ich überall erzählen, bei wem Sie sich befunden haben. Ihre Frau wird sich sehr darüber freuen.“
„Eine ganz verdammte Geschichte!“
„An welcher Sie selbst die Schuld tragen. Und vor allen Dinge, wenn Sie sich jetzt von meinem Mann verabschieden, so geben Sie ihm die Erklärung, daß das, was Sie über mich erzählt haben, die Unwahrheit ist. Das verlange ich.“
„Donnerwetter! Das ist zu viel!“
„Ich gehe nicht davon ab!“
„Aber wenn ich es nicht tue?“
„So lasse ich die Magd kommen. Die mag ihm alles erzählen.“
„Dann bin ich aber blamiert!“
„Und wie!“
„Verdammt!“
„Wählen Sie das kleinere von den zwei Übeln. Wenn Sie die Erklärung freiwillig abgeben, können Sie dieselbe in Worte fassen, unter denen Sie so wenig wie möglich leiden.“
„Hm! Ich begreife Sie nicht!“
Er blickte sie kopfschüttelnd an.
„Inwiefern?“
„Ich habe Sie schlecht gemacht. Sie drohen mir mit der Magd, und doch geben Sie mir guten Rat.“
„Das ist doch sehr leicht zu erklären. Es soll niemand von dem Kabinett etwas wissen, und ich müßte davon sprechen, wenn ich gezwungen würde, alles zu erklären. Daher begnüge ich mich mit einer einfachen, kurzen Ehrenerklärung, welche Sie mir geben.“
Er ließ seinen Blick an ihrer schönen Gestalt auf- und niedersteigen und sagte triumphierend:
„Aber geküßt habe ich Sie doch!“
„Pah! Das konnte ich nicht verhüten, wenn ich Sie nicht auch ohrfeigen wollte.“
„Oh, Sie hätten sich doch besser wehren können, wenn Sie gewollt hätten.“
„Schweigen wir am allerliebsten darüber. Kommen Sie jetzt wieder mit hinab, tun Sie Ihre Schuldigkeit, und betragen Sie sich nicht wieder so, daß Sie Ohrfeigen bekommen!“
Er kratzte sich hinter die Ohren und murmelte:
„Das kommt so, wenn man für eine schöne Frau heimliche Türen und Kabinette baut! So etwas soll mir in meinem ganzen Leben nicht wieder vorkommen!“
Er ging, und die Bäuerin folgte ihm. Sie schloß ihre Tür sehr sorgfältig wieder zu, denn es durfte niemals jemand während ihrer Abwesenheit ihre Wohnung betreten.
Als
Weitere Kostenlose Bücher