71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil
erwähnt, freilich auch so, als ob ich ein ganz Fremder sei, der gar nix weiß.“
„Das wird sich alles aufklären. Nun aber wollen wir zu dem Schlimmen schreiten. Was hast für Beweise dafür, daß die Bäuerin dera Samiel ist?“
„Das sollst hören. Wir werden da von vorn anfangen, als dein Vatern blind worden ist.“
„Herrgott, das fallt mir nun erst ein!“
„Was?“
„Wann meine Stiefmuttern wirklich dera Samiel ist, so ist sie es doch west, die ihn blind macht hat!“
„Freilich ist sie es!“
„Hilf Himmel! Welch ein Abgrund tut sich da auf! Weshalb soll sie es denn tan haben?“
„Damit er sie nicht beobachten kann, wann's mit anderen Männern ihr Wesen treibt.“
„Darum! Darum also.“
„Ja, das ist der Grund.“
„Und mein Vatern, hat er eine Ahnung?“
„Nicht die Spur davon. Er hat mir am Nachmittag, alst in dera Küchen warst, alles verzählt und mir auch die Briefen anvertraut, welche er damals erhalten hat.“
„Briefe? Davon weiß ich nix.“
„Er hat's heimlich behalten. Ich werd es dir berichten.“
Er erzählte dem Knecht alles, was der Bauer ihm mitgeteilt hatte. Fritz hörte ihm mit einer Spannung zu, welche ganz unbeschreiblich war. Er las ihm förmlich die Worte vom Mund und sagte, als der Alte geendet hatte:
„Die Briefe, die hast erhalten?“
„Ja. Ich hab dem Bauer versprochen, zu forschen; darum hat er sie mir anvertraut.“
„Zeig her, zeig her!“
„Hier sind sie. Lies!“
Es war noch hell genug, die Zeilen zu lesen. Fritz las sie mehrere Male.
„Kennst die Schrift?“ fragte Sepp.
„Nein. Ich hab sie noch nie sehen.“
„Ich auch nicht und dein Vatern ebenso nicht. Ich könnt wohl ahnen, wer dera Schreiber war.“
„Wer?“
„Der Bastian.“
„Der kann nicht schreiben!“
„Du sei still! Der Kerl ist ein Doppelmensch. Den werd ich ganz genau beobachten. Wie alt ist er jetzt?“
„Der ist nicht mehr jung. Er kann fast an die dreißig sein.“
„Diente er damals schon bei euch, als dein Vatern blind wurde? Ich kann mich nicht mehr genau besinnen.“
„Ja, er war bereits da.“
„Schön! So möcht ich daraufi schwören, daß er dera Schreiber ist.“
„Ich kann's nicht denken.“
„Er ist das willenlose Werkzeug dera Bäuerin, die ihn durch Liebe blind macht hat. Er stellt sich blödsinnig, damit er nicht in Verdacht kommen mag, Verbrechen begangen zu haben, welche nur einer tun kann, der geistig gesund und kräftig ist. Aber ich werd ihm hinter die Kulissen schauen! Für mich ist's ganz sicher, daß er dera Schreiber ist. Da ist die Bäuerin am sichersten. Bei ihm wird nicht nach einer Schrift forscht. Mir aber soll er schon was schreiben. Wie oft, wann dera Samiel was begangen hat, liegt nicht ein Zettel dabei, auf dem schrieben steht, daß dera Samiel es gewest ist. Ich glaub, diese Zettels alle schreibt dera Bastian.“
„So glaubst als sicher, daß meine Stiefmutter der Samiel ist?“
„Ja. Geht das nicht deutlich aus denen Briefen hervor?“
„Fast.“
„Denk weiter! Fünf Minuten, bevor dein Vater schossen worden ist, will sie noch bei dera Wäsch gewest sein. Dann hat sie schon so schlafen, daß sie den Schuß nicht hört haben will. Glaubst das?“
„Nein.“
„Bedenk auch die Gestalt des Samiels!“
„Es ist die ihrige; das ist wahr. Aber die Kleider!“
„Die liegen jedenfalls irgendwo versteckt und werden vorgezogen, wann's braucht werden.“
„Gut! ich will mal denken, daß diese Briefen damals von dera Bäuerin stammen. Hast noch andere Beweise?“
„Ja.“
„Nun, so sag einen!“
„Die Wette heut.“
„Alle Teufel, ja!“
„Tät sie fünftausend Märkln riskieren, wann sie nicht selber dera Samiel wär?“
„Hast recht.“
„Warum wird dera Samiel nicht derwischt? Weil derselbige Offizier bei ihm wohnt, der ihn fangen will, und weil dera Förster dera Liebhaber ist vom Samiel.“
„Herrgott! Wie leuchtet mir das alles ein! Es wird ganz licht um mich!“
„Siehst! Ja, so ist's mir auch gangen. Hättst nur den Blick sehen sollt, den sie auf den Diamantring werfen tat. Den nimmt sie ihm ganz gewiß ab.“
„Aber wo tut sie den ganzen Raub hin?“
„Dazu braucht sie gar nicht viel Platz. Dera Samiel raubt niemals Sachen, die einen großen Raum beanspruchen.“
„Sagtst du nicht, daß ihr Vater ein Wildschütz gewest sei?“
„Ja.“
„Und als Wilddieb hat dera Samiel anfangen.“
„Ja, und ist immer weiter kommen bis zum Einbrecher. Ich denk, daßt nun auch
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