71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil
sagte sie, „das mußt selber wissen.“
„Fort muß ich mal!“
„So geh!“
„Ich kann dich doch nicht hierlassen?“
„Warum nicht?“
„Weil ich dich gern so lang wie möglich bei mir haben will. Also gehst mit?“
„Daran liegt mir nix.“
„Warum denn? Bist müd?“
„Ja, ich bin müd worden von dem Weg, den wir macht haben, und sodann ist's ja auch möglich, daß ich sehen werd, wann ich mit dir geh.“
„O nein! Bevor ich zum Posten geh, um mit ihm zu reden, bleibst hinter denen Büschen stehen.“
„Steht der Posten auf einer Stell?“
„Nein. Er geht in seinem Bezirk hin und her.“
„So kann er leicht auf uns treffen, ehe wir bemerken, daß er kommt. Und was soll er dann denken, wann er mich bei dir sieht?“
„Da hast freilich recht.“
„Ich geh also nach Haus.“
Das war keineswegs ihre Absicht. Sie mußte ihm ja den Schlüssel heimlich wieder zustecken. Sie sagte aber so, um von ihm selbst zum Bleiben aufgefordert zu werden. Sie hatte sich nicht verrechnet, denn er sagte sofort:
„Schon heim willst? Das geht nicht!“
„Ich möcht halt wissen, warum?“
„In der Nacht allein heimgehen?“
„Was ist's weiter? Der Mond scheint doch, und ich kenn den Weg.“
„Und wann der Samiel dir begegnet?“
„Der wird einer Frau nix tun. Bei mir ist nix zu holen.“
„Aber eben weilst eine Frau bist, und noch dazu eine schöne Frau.“
„Meinst, daß er sich in mich verliebt?“
„Er wird kein Esel sein. Wann so ein Räuber des Nachts im Wald einer schönen, jungen Frau begegnet, so kann man sich gar leicht denken, was passieren wird.“
„Oho! Ich tät mich wehren.“
„Gegen den Samiel? Damit würdest nicht weit kommen!“
„Ich bin ganz überzeugt, daß es ihm gar nicht einfallt, sich da her in den Wald zu setzen. Nachdem er an dem Oberleutnant so ein gutes Geschäft macht hat, wird er heimgangen sein und sich aufs Ohr ins Bett legt haben.“
„Und wannst recht hättest, so kannst doch einem von unserem Posten in den Weg laufen, und diese sollen dich nicht sehen.“
„Auch das geschieht nicht.“
„Gar leicht.“
„Nein. Du hast mir doch sagt, wo die Posten sich befinden. Da kann ich ihnen nun leicht aus dem Weg gehen.“
„Du hast ja hört, daß sie nicht auf einer und derselben Stell stehenbleiben. Du kannst wirklich gar leicht derwischt werden. Es ist am allerbesten, du bleibst hier und wartest, bis ich wiederkomm.“
„Meinst?“
„Ja. Nachher führ ich dich durch den Wald, bis er zu Ende ist.“
„Darfst denn von hier fort?“
„Eigentlich nicht; aber dir zulieb wag ich es gern, gegen die Instruktionen zu handeln.“
„Hast ja auch eine Ausred.“
„Welche meinst denn?“
„Wannst derwischt wirst woanders als auf deinem Platz, kannst ja sagen, daßt revidieren gewest bist.“
„Daran hab ich auch schon denkt. Übrigens werd ich um eine Ausred gar nicht sehr verlegen sein. Also, willst hier warten oder nicht?“
„Wannst denkst, so bleib ich hier.“
„Ja. Ich werd mich sehr beeilen.“
„Wie lange wird es dauern, bis du wiederkommst?“
„Das ist freilich lang. Die Zeit wird dir nicht kurz werden. Eine halbe Stund hab ich bis zu dem einen Posten und eine Viertelstund bis zum anderen, zurück also ebenso weit, das tät in summa anderthalb Stund machen. Aber wann ich recht rasch geh, kann ich in einer Stund wohl wiederum da sein.“
„Brauchst dich nicht gar zu sehr anzustrengen; ich werd gern warten.“
„Aber die Langeweile, welche du dabei haben wirst.“
„Die wird nicht arg sein, denn ich werd mich auf die Bank legen und versuchen, ob ich schlafen kann. In dieser Nacht versäum ich meinen Schlaf, da kann ich's sehr gut gebrauchen, wenn ich ein Stündchen schlafen tu.“
„Hast recht. Aber so allein im tiefen Wald zu schlafen, das ist für eine Frauen nix Gewöhnliches. Wirst dich fürchten.“
„O nein. Vor wem denn?“
„Vor denen Geistern und Gespenstern.“
„Da laß mich aus! Es gibt ja keine.“
„Denkst das wirklich?“
„Ja. Ich hab niemals an solche Dummheiten glaubt. Geh also in Gottes Namen; um mich braucht dir nicht bang zu sein.“
„Na, wann's so ist, dann bin ich freilich beruhigt. Ich werd also gehen. Vorher aber gibst noch einen Kuß.“
„Hast schon wieder Appetit!“
„Zu so was Delikatem jede Minut!“
„Da hast ihn! Und nun mach, daßt fortkommst, damit ich schlafen kann. Je eher du gehst, desto eher kannst wiederum da sein.“
„Gut. Aber man kann nicht wissen, was
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