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711 N. Chr. - Muslime in Europa

711 N. Chr. - Muslime in Europa

Titel: 711 N. Chr. - Muslime in Europa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Peter Jankrift
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westgotischen Herrschern sorgsam verschlossen gehalten wurden. Jeder König hatte ein weiteres Schloss hinzugefügt, so dass nicht weniger als 24 Schlösser den Eingang schützten. Darüber prangte eine warnende Inschrift mit den Worten: »Das Königtum bleibt uns erhalten, solange dieses Haus verschlossen bleibt. Wenn es geöffnet wird, wird unsere Herrschaft untergehen.« Nachdem Roderich den Thron bestiegen hatte, wollte er allen Warnungen seiner Ratgeber zum Trotz das Geheimnis des Hauses lüften. Dabei wurde er der Legende nach vor allem von der Gier nach Gold getrieben. Der König war überzeigt, hinter den verriegelten Türen reiche Schätze zu finden, die seine Vorfahren angehäuft hatten. Ohne zu zögern, ließ er die Schlösser aufbrechen. Was er im Inneren des Hauses erblickte, ließ ihm den Atem stocken. Statt der erwarteten Reichtümer war der Raum angefüllt mit lebensgroßen Figuren von Reiterkriegern mit Pfeil und Bogen. Indem der König die Türen des Hauses geöffnet hatte, ließ er deren gebundene Kräfte frei und besiegelte durch diesen Fevel seinen eigenen Untergang.
    Das Erzählmotiv der unter Verschluss gehaltenen Krieger und ihrer Befreiung war im Orient weit verbreitet. Der jakobitische |47| Patriarch von Antiochia, Michael der Syrer (1126–1199), greift darauf im Zusammenhang mit dem Beginn der Kreuzzüge zurück. Michaels Schilderung zufolge fand man einen geheimen, seit undenklichen Zeiten verschlossenen Raum mit tönernen Reiterstandbildern. Diese Talismane haben nach seinen Worten die Ankunft der Kreuzritter in der Levante angekündigt. Wie in Toledo war auch in dieser Erzählvariante das spätere Schicksal durch das Eindringen in die Kammer besiegelt. Selbst die Zerstörung der Figuren habe nichts an der göttlichen Vorherbestimmung ändern können, weiß der Patriarch zu berichten. Doch nicht nur widerrechtlicher Zutritt in das verschlossene Haus und Habgier werden Roderich in den arabischen Geschichtswerken vorgeworfen, einige Geschichtsschreiber stellen den König zudem als ruchlosen Vergewaltiger dar.
    Deren Schilderung zufolge lebte jenseits der Meerenge im nordafrikanischen Ceuta ein byzantinischer Statthalter namens Julian. Ob diese in späten arabischen Quellen Iulyan ar-Rumi, Julian der Römer, genannte Figur tatsächlich existierte oder ins Reich der Fantasie gehört, ist nicht eindeutig geklärt. Jedenfalls erwies sich die Legende als langlebig und war im 13. Jahrhundert auch im christlichen Bereich voll ausgeprägt. Angeblich hat Julian seine Tochter zur Erziehung an den westgotischen Hof nach Toledo geschickt. Der lüsterne König Roderich sei alsbald auf deren Schönheit aufmerksam geworden, habe die junge Frau vergewaltigt und geschwängert. Späteren Varianten zufolge soll es Julians Frau gewesen sein, die vom Westgotenkönig missbraucht wurde. Frühere Versionen hingegen schreiben die Übeltat Witiza anstatt Roderich zu. Wie dem auch sei, am Ende übt Julian grausame Rache für die Ehrverletzung, stachelt die Muslime zum Angriff auf und unterstützt die muslimische Invasion des westgotischen Reiches mit Schiffen.
    Obwohl der Wahrheitsgehalt dieser wie der übrigen Legenden getrost bezweifelt werden kann, scheinen doch Anzeichen eines inneren Verfalls durch. Das Zusammenspiel verschiedener Faktoren führte schließlich zum Untergang des Westgotenreiches. Die wesentliche Rolle spielten dabei die anhaltenden Machtkämpfe des Adels, welche die königliche Gewalt schwächten und einer |51| Vereinigung der militärischen Kräfte wie auch einer nötigen Heeresreform entgegenstanden. Hinzu kamen die längerfristigen Auswirkungen der sogenannten Justinianischen Pest, die in mehreren Schüben zwischen 541 und etwa 750 immer wieder aufflammte. An der Wende zum 8. Jahrhundert hatte die Seuche die Iberische Halbinsel schwer heimgesucht. Der damit einhergehende Bevölkerungsverlust wirkte sich negativ auf die Wirtschaft aus. Auch gab es eine rigorose antijüdische Gesetzgebung, die 694 im 17. Konzil von Toledo gipfelte. Nachdem Gerüchte laut geworden waren, die Juden pflegten Kontakte zu den Arabern und planten möglicherweise eine Verschwörung, empfahl König Egica (reg. 687–698/702) eine Vertreibung aller Juden aus dem Westgotischen Reich. Darüber hinaus sollten jüdische Kinder ab dem siebten Lebensjahr von ihren Eltern getrennt und in die Obhut christlicher Familien gegeben werden. Ferner wurde von den Juden gefordert, ihre Sklaven zu entlassen und diesen einen Teil ihrer

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