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711 N. Chr. - Muslime in Europa

711 N. Chr. - Muslime in Europa

Titel: 711 N. Chr. - Muslime in Europa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Peter Jankrift
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dort gelangten die meisten Werke in Übersetzung ins christliche Abendland. Und der Handel war lukrativ: Die Muslime auf der Iberischen Halbinsel hatten einiges zu bieten – feinen Safran, Südfrüchte sowie Sklaven. Auch in der Technik ließ sich einiges von ihnen lernen: In den trockenen Gebieten erwiesen sie sich als Meister der Bewässerung und bauten Mühlen für die Herstellung von Papier.
    Die Invasion der berberischen und arabischen Truppen bei Gibraltar, die sich zum 1300. Mal jährt, war zweifellos ein Wendepunkt der europäischen Geschichte. Dem lateinischen Christentum war mit dem Islam eine ernste religiöse Konkurrenz erwachsen, die nunmehr die christlichen Kernlande erreicht hatte und mit Waffen ihre Überlegenheit zu behaupten versuchte. In der islamischen Welt ist der Traum von al-Andalus noch immer nicht ausgeträumt. Eine Minderheit strenggläubiger Muslime betet noch heute für die Rückkehr auf die Iberische Halbinsel.
    Momentan steht die islamische Welt vor einer großen Wende, von der noch niemand sagen kann, in welche Richtung sie geht. |15| Dabei führen die bürgerkriegsartigen Unruhen, die vor allem Nordafrika erfasst haben, einmal mehr die geographische Nähe zu Europa vor Augen. Wieder landen in diesen Tagen arabische Schiffe an Europas Küsten, dieses Mal kommen die Passagiere aber nicht als Invasoren. Wenn es nun am christlich-jüdischen Europa ist, eine stabile Demokratie in Nordafrika zu befördern und humanitäre Hilfe zu leisten, schließt sich damit vielleicht ein geschichtlicher Kreis. Mögen die Leserinnen und Leser dieses Bandes selbst urteilen.

Tariq, der »Morgenstern«
    Ceuta, Nordafrika, im Frühjahr 711. Tariq ibn Ziyad erhebt sich vom Morgengebet. Mit besonderem Eifer hatte der Heerführer heute seinen Gott angerufen. Allah würde ihm den Sieg über die Ungläubigen jenseits des Meeres schenken. Hatte er nicht seit den Tagen des Propheten, gepriesen sei er, die Muslime von einem Triumph zum nächsten geführt? Tariqs Blick wandert hinüber zu der gewaltigen Flotte, die zum Aufbruch bereit bei Ceuta vor Anker liegt. Knapp zwei Jahrzehnte vor seiner Geburt, im Jahre 655, hatten die Krieger Allahs den stolzen Byzantinern bei der lykischen Hafenstadt Phoinix eine empfindliche Niederlage beigebracht. Konstantinopel hatte vorübergehend die angestammte Vorherrschaft zur See verloren und begriffen, dass die Söhne der Wüste nicht nur ihre Kamele und Pferde, sondern auch Schiffe zu lenken vermochten. Wenig später wurde der Erfolg in dieser »Schlacht der Masten«, wie der persische Geschichtsschreiber at-Tabari (839–923) den Waffengang auf dem Meer nannte, durch die Eroberung der Insel Rhodos gekrönt.
    Bei diesem Gedanken huscht ein kurzes Lächeln über das sonnengegerbte Gesicht des drahtigen Berbers. Graue Strähnen haben sich in seinen vollen Bart und sein Haar gemischt. Er zählt nun etwas mehr als vierzig Jahre. Wie alt er genau ist, weiß er nicht. Zeit spielt in seiner Lebenswelt keine große Rolle. Überhaupt ist es noch nicht lange her, dass die nordafrikanischen Berber |16| sich dem Ansturm der Muslime entgegengestellt hatten. Nur zögerlich hatten sie den neuen Glauben angenommen, den die Eroberer mitbrachten. Auch Tariq, dessen arabischer Name »der Morgenstern« bedeutet, war nicht als Muslim geboren worden. Wirklich gefestigt war der Islam im Westen Nordafrikas noch immer nicht. Allerdings ermöglichte unter den neuen Machthabern nur eine Konversion den Aufstieg und eine uneingeschränkte Teilnahme am öffentlichen Leben. Nie wäre er Feldherr oder gar Herr von Tanger geworden, hätte er die Zeichen der Zeit nicht richtig erkannt. Tariq erinnert sich sehr gut an die vielen Geschichten über die muslimischen Eroberungen, von denen ihm sein Vater erzählt hatte und von denen er nun seinen Kindern erzählte. Die Anhänger des Propheten Mohammed verstanden ihren Eroberungszug als göttlichen Auftrag. Ihre Mission bezeichneten sie deshalb als »Öffnung der Länder« für den neuen Glauben. Angefangen hatte alles in Mekka, einer Oasenstadt im Herzen der Arabischen Halbinsel, Tausende von Kilometern von Marokko entfernt.

Rückblick – der Gesandte Allahs
    Mekka, zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts. Bei seiner Geburt hätte wohl niemand geahnt, dass dem Jungen Großes beschieden war. Als Mohammed um 570 in Mekka das Licht der Welt erblickte, war die Stadt bereits ein bedeutendes Pilgerzentrum. Ob Mekka an der Hauptroute der Weihrauchstraße vom heutigen Jemen nach

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