72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
Abraham?“
„Das weiß ich nicht.“
„Hm! Hast du alte Leinwand zum Verbinden?“
„Ja, sie ist draußen.“
„Hol sie.“
Sie kam heraus und trat zu einer kleinen, niedrigen Tür, welche auch nur verriegelt war. Als sie diese geöffnet hatte, sah man einen Raum, welcher zur Aufbewahrung von allerhand Vorräten zu dienen schien. Sie trat hinaus und kam bald mit einem Paket wieder heraus.
„Zeig her“, sagte der Sepp.
„Es sind alte Lappen!“
„Wollen sehen, ob's auch wahr ist. Vielleicht hast auch was anderes mit.“
Er untersuchte das Bündel und sah allerdings, daß es nichts Verdächtiges enthielt.
„Da, hast's wieder. Hier liegen Verwundete, welche wir zu euch hineintun wollen. Ihr könnt sie verbinden.“
Er schaffte mit Hilfe der beiden andern die Blessierten hinein und riegelte dann zu, um auch die beiden übrigen zu holen.
Die Mädchen traten alle herbei, um mitzuhelfen. Hier in diesem Gewölbe befanden sich nur solche Dirnen, welche mit ihrem Schicksal sehr wohl zufrieden waren und sich sogar freuten, als verachtete Geschöpfe in Amerika ein üppiges, aber sündhaftes Brot zu verdienen. Der Italiener wußte, daß er sich auf sie verlassen konnte.
„Habt ihr die Schüsse gehört?“ fragte er.
„Ja“, antwortete Auguste. „Und das Geschrei auch.“
„Diese verfluchten Kerls!“
„Wer sind sie denn?“
„Ich kenne sie nicht. Jedenfalls haben sie erfahren, daß ihr hier seid, und sind nun gekommen, euch herauszuholen.“
„Das mögen sie bleiben lassen!“
„Ihr wollt nicht mit ihnen?“
„Fällt uns gar nicht ein!“
„Sie haben sogar auf uns geschossen!“
„Zeigt sie an, damit sie bestraft werden!“
„Das wäre die größte Dummheit, welche wir machen könnten. Unser Handwerk ist ja verboten.“
„Nein. Wir sind ja einverstanden.“
„Das gilt nichts. Übrigens haben wir zuerst geschossen, nämlich auf den Alten. Daß noch mehrere unten seien, konnten wir nicht wissen. Verbindet uns nur rasch. Hoffentlich hat es keine große Gefahr. Revolverkugeln machen selten Löcher in das Leben.“
Während nun einige der Mädchen den Männern die Röcke auszogen, um zu den Wunden gelangen und diese verbinden zu können, fuhr der Italiener fort:
„Wißt ihr denn, was für ein Schicksal eurer harrt?“
„Die Fremden werden uns befreien.“
„Nein. Sie werden euch im Gegenteil eurer Freiheit berauben.“
„Das können sie nicht!“
„Ganz gewiß können sie es.“
„Wir haben ja nichts begangen!“
„Ihr habt euch als Freudenmädchen anwerben lassen und werdet nach Amerika verkauft. Das ist verboten.“
„Aber bestrafen können sie uns nicht dafür.“
Die Auguste schien ein auf diesem Gebiet erfahrenes Mädchen zu sein.
„Nein, bestraft könnt ihr nicht werden“, antwortete er. „Aber man wird euch in eine Besserungsanstalt stecken.“
„Das fehlte noch!“
„Ganz gewiß wird man es tun!“
„Ich danke! Ich kenne das. In so eine Anstalt kommt man nur auf unbestimmte Zeit.“
„Ja, man kann euch so lange behalten, wie man will. Das ist sehr richtig.“
„Und wer da nicht den ganzen Tag arbeitet und betet, der kommt nie wieder heraus.“
„Hört ihr es!“ sagte der Italiener. „Ich denke nicht, daß euch das gefallen wird.“
„Nein, nein! Fällt uns nicht ein! Das mögen wir nicht!“ rief es rundum.
„Aber ihr könnt es nicht umgehen, außer – hm! Es gäbe wohl ein Mittel.“
„Welches?“
„Wenn ihr es euch nicht gefallen laßt!“
„Wir können doch nichts dagegen tun!“
„O doch! Ihr müßt euch wehren.“
„Wo denn? Dann später oder hier?“
„Natürlich hier. Wenn ihr einmal oben seid, ist es zu spät.“
In diesem Augenblick wurden die andern gebracht. Einer derselben war tot. Der Sepp zog sich dann mit Hans und Max wieder zurück.
„Fürchtet euch nicht“, sagte der Italiener. „Ihr werdet nicht lange mit ihm beisammen sein, wenn ihr es richtig macht. Ich weise euch eine andere Stube an, welche viel besser ist als diese hier.“
„Du? Wie kannst du das? Du bist ja gefangen und hast hier nichts mehr zu sagen.“
„Das kommt bloß auf euch an.“
„Wieso?“
„Haut die Kerls nieder!“
Die Dirnen sahen sich untereinander an.
Diese Sorte Mädchen sind leicht zu Gewalttätigkeiten geneigt. Man braucht unter ihnen gar nicht lange nach Megären zu suchen. Da keine von ihnen antwortete, fragte er:
„Oder fürchtet ihr euch etwa vor ihnen?“
Sie schwiegen auch jetzt noch. Der Gedanke war ihnen
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