72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
ledig zu bleiben. Laß uns lieber von deiner Liebe sprechen. Sie ist glücklicher als die meinige.“
Die Züge des Fex veränderten sich plötzlich. Er wurde bleich, und seine Augen bekamen einen feuchten Schimmer.
„Glücklicher?“ fragte er. „Wieso?“
„Nun, deiner Paula kannst du sicher sein.“
„Meinst du? Ah!“
Er strich sich mit der Hand über die Stirn und wandte sich ab.
„Fex, Fex, was ist mit dir?“ fragte sie erschrocken. „Hat's auch mit der Paula etwas gegeben?“
Er nickte, sich ihr wieder zuwendend.
„Was denn, was?“
„Das hast noch nicht gehört?“
„Nein, kein Wort.“
„Auch der Sepp hat dir nix sagt?“
„Nein, gar nix.“
Sie fielen beide in ihrer Herzenserregung in den heimischen Dialekt.
„Das wundert mich. Er weiß doch alles.“
„Ich habe ihn ja erst gestern abend nach so langer Zeit zum ersten Mal wiedergesehen. Und da hatten wir keine Zeit zu langen heimatlichen Berichten.“
„Aber er hätte es dir schreiben können.“
„Der? Der schreibt nicht gern. Und wenn er muß, so setzt er sicher nur das Allernotwendigste auf das Papier. Aber du, du hättest es mir schreiben sollen. Wir haben doch so viele Briefe gewechselt.“
„Wer schreibt gern über sein Elend!“
„Ist's gar so schlimm?“
„Leider, leider.“
„Was ist geschehen?“
„Ja, wenn ich das eben wissen tät!“
„Du weißt selber nix? Das ist doch unbegreiflich. Du mußt doch wissen, warum du unglücklich bist. Ist sie dir untreu worden?“
„O nein, gewiß nicht.“
„Was dann?“
„Fort ist sie.“
„Wohin?“
„Kein Mensch weiß es.“
„Herrgott, da muß ich gar erschrecken! Die Paula ist fort, das gute, liebe Dirndl! Wie ist denn das kommen?“
„Was mit ihrem Vater geschehen ist, das hast doch erfahren?“
„Ja. Er ist fürs ganze Leben in das Zuchthaus kommen.“
„Ja, und sein ganz Hab und Gut ist verloren. Jetzund ist der Finken-Heiner Herr in dera Talmühlen. Er hat sich der Paula annehmen wollen und sie behandeln wollen wie sein Kind. Ich hab das mit ihm besprochen gehabt und war nach Paris, um dort den Unterricht eines berühmten Geigers zu empfangen. Da erhielt ich von der Paula, die meine Adreß gewußt hat, einen Brief. Als ich das Kuvert aufmacht hab, hat es eine Haarlocke und einen kleinen Zettel enthalten. Darauf stand geschrieben – ich hab's hier; ich kann's dir ja zeigen.“
Er knöpfte seine Weste auf und zog unter derselben ein Medaillon hervor, welches er öffnete. Es enthielt eine Locke von Paulas schönem, braunem Haar und den zusammengelegten Zettel. Leni öffnete ihn und las:
„Mein einziger Fex!
Jetzt ist es aus. Die Schande ist zu groß. Ich kann sie nicht ertragen. Die Tränen verzehren mich, denn die Tochter des Zuchthäuslers darf dir niemals wieder unter die Augen treten. Ich hab nur dich geliebt. O Gott, wie ist das Scheiden so schwer, das Scheiden von dir und dem Leben. Der liebe Gott laß dich recht glücklich werden. Denk dann zuweilen an dein unglückliches
Eichkatzerl“
Während Leni das las, hatte der Fex sich auf den Stuhl gesetzt. Er legte das Gesicht in seine beiden Hände und weinte bitterlich.
Leni sah das und brach auch sofort in lautes Schluchzen aus.
„Herrgott, welch ein Herzeleid das ist!“ rief sie aus. „Warum hat die Paula das tan!“
„Ja, warum hat sie mir das antun müssen!“
„Sie hat's nicht aushalten könnt!“
„Und daran bin ich allein schuld.“
„Du? Warum?“
„Ich hätt sie gar nicht dort in der Heimat lassen sollen. Ich hätt sie fortnehmen müssen, woanders hin, wo sie nix sehen und hören könnt von allem, was geschehen war. Ich aber hab sie daheimgelassen. Das ist der Vorwurf, der an meiner Seele sticht und schneidet. Aber ich war ja auch arm und konnt nicht so, wie ich wollt. Ich hatt nur das, was dera König mir gab. Aber wann ich's ihm richtig erzählt hätt, so wär er ganz sicher bereit gewesen, der Paula fort zu helfen. Und das hab ich versäumt.“
„Was hast denn tan, alst den Brief erhieltst?“
„Nach Haus bin ich sogleich.“
„Durch Frankreich nach Bayern?“
„Ja, gleich mit dem nächsten Zug. Mein Geldl hat grad zu dieser Reise gereicht. Dann hab ich zum Glück den Sepp troffen, der hat mir neues geben. Ich bin's ihm noch heut schuldig, denn der Alte will niemals was wieder zurücknehmen.“
„Und dann hast nach der Paula sucht?“
„Ja, ich und der Sepp und viele andere und die Polizei; aber kein Mensch hat eine Spur finden könnt. Sie ist
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