72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
vorhin nicht so, als ob ihr gar so ehrwürdig dächtet.“
Da ertönte aus dem Hintergrund die leise, flehende Stimme des Italieners:
„Kommt doch, kommt! Tut es um Gottes Willen! Ich muß mein Herz erleichtern.“
„Ist's so schwer?“
„Ja. Ich kann doch nicht in meinen Sünden sterben!“
„Oh, dir ist's ganz recht, wenn dir der Teufel die Krallen in die Seele schlägt.“
„Mein Himmel! Seid ihr denn keine Menschen!“
„Tut es doch!“ bat Auguste.
Jetzt nahm der Sepp einen ganz anderen Ton an:
„Höre, Mädchen, uns täuschest du nicht! Wir sollen hier hinter kommen, damit ihr über uns herfallen könnt.“
„Herrgott! Was denkt ihr denn!“
„Schweig! Du bist ein schönes Dirndl! Aus dir kann noch was werden, nämlich ein Galgenfutter.“
„Ich weiß von gar nichts!“
„So? Und doch hast's selber gesagt.“
„Wenn denn?“
„Vorhin. Weißt, wenn ihr wieder mal so einen Plan ausheckt, so redet leiser, daß man es nicht hier vor der Tür verstehen kann. So, nun weißt's!“
„Ihr hättet etwas gehört?“
„Alles!“
„So täuscht ihr euch!“
„Unsere Ohren sind gut. Adieu!“
Er warf die Tür zu und schob den Riegel vor. Drin ertönte eine männliche Stimme.
„Himmeldonnerwetter! Da habt ihr es! Mit eurem Schreien habt ihr alles verdorben!“
„Das ist der Italiener“, meinte der Sepp.
„Wer hätte das gedacht!“ sagte Auguste.
„Wer das gedacht hätte? Ich! Ich habe euch das Schreien verboten. Nun ist alles aus.“
„Vielleicht noch nicht.“
„Ganz gewiß. Nun sind sie auf ihrer Hut.“
„Am Ende gelingt es uns doch noch!“
„Nun nicht mehr. Jetzt könnt ihr euch in die Besserungsanstalt sperren lassen.“
„Ah!“ lachte der Sepp. „Darauf war es angefangen! Sie fürchten sich vor der Anstalt. Brave Mädchens sind es also nicht. Nun, wir wollen dafür sorgen, daß sie in so eine Anstalt kommen. Jetzt gehen wir weiter.“
Sie schritten in den Gang hinein und gelangten an die Tür, an welcher Sepp den Kampf begonnen hatte. Es wurde von innen an dieselbe geklopft.
Wie Sepp erzählt hatte, waren die Kerls gewillt gewesen, den Gefangenen zu töten. Sie hatten die Tür geöffnet und ihn, als er sich derselben näherte, angeleuchtet, damit er ein sicheres Ziel böte. Dann war der erste Schuß gefallen und man hatte die Tür wieder zugemacht.
„Was war das?“ fragte der Gefangene. „Man richtete eine Pistole auf mich.“
„Gott! Man wollte Sie wohl töten?“ fragte Paula.
„Es schien ganz so. Horch.“
Der zweite und dritte Schuß erschallte, und gleich darauf ertönte der von den engen Wänden verdoppelte Kriegsruf des Alten.
„Himmel! Haben 's gehört?“ rief Paula.
„Ja. Ist's möglich!“
„Der Sepp ist da!“
„Er schießt. Es war seine Stimme.“
„Ja, ich hab sie auch erkannt.“
„Wie kommt er hierher?“
„Oh, der Wurzelsepp ist überall.“
„Aber hier, hier! Sollten wir uns doch verhört haben?“
„Das glaub ich nicht.“
„Dann hat er auch noch andre mit. Er tat, als ob er ein ganzes Bataillon kommandiere. Horch!“
In der Entfernung ertönten wieder Schüsse, und eine zweite Stimme erschallte.
„Wieder, der Sepp ist da!“ sagte der König.
Da sprang Paula vom Boden auf, sprang an die Tür und rief:
„Nein, nein, nicht der Sepp.“
„O doch. Es rief: Der Sepp ist da.“
„Nein, nein! Da haben 'S falsch verstanden.“
„Ich habe es deutlich gehört.“
„Es hat ganz anderst ruft, ganz anderst!“
„Wie denn?“
„Der Fex ist da.“
„Was? Der Fex?“
„Ja. Ich hab's genau hört. Nicht vom Sepp, sondern vom Fex ist die Red gewest.“
„Sollte es wirklich –“
„Ja, ja!“ fiel sie ihm in die Rede.
„Undenkbar!“
„Warum undenkbar? Sie haben doch selbst sagt, daß der Fex nach hier kommen ist.“
„Hm, ja!“
„Und Sie glauben doch, daß der Sepp hier unten ist, daß er schossen hat?“
„Ja, das ist ganz gewiß.“
„Nun, warum sollt denn da der Fex nicht auch bei ihm sein! Wann beide in Triest sind und der Sepp hat derfahren, was hier auf der Insel vorgeht, so hat er es dem Fex ganz gewiß sagt, und dieser ist mitgangen.“
„Das läßt sich freilich annehmen. Aber wie soll der Sepp es erfahren haben?“
„Das weiß ich nicht, aber erfahren hat er es, denn er ist hier. Also weiß es auch der Fex und ist auch hier. Herrgott, der Fex, der Fex!“
Sie schlug die Hände zusammen und brach in Tränen aus, ob des Schmerzes oder der Freude?
Der Gefangene schwieg. Er
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