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72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

Titel: 72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wer aber recht hat, das weiß ich nicht. Aber die Leni, die ist brav!“
    „Ja, das ist freilich eine sehr Brave.“
    „Ihr geht ihr gar nix an und dennoch sendet sie euch ein solches Geld!“
    „Ja, das tut sie. Der Herrgott wird's ihr lohnen. Wann sie nicht wär, so hätten wir schon oft mehr Hunger leiden mußt, als es so schon der Fall ist. Jetzund sendet sie gar dreihundert Gulden. Und dafür sollen wir nach Scheibenbad kommen. Sie ist dort. Was aber sollen wir eigentlich dort tun?“
    „Wer weiß es! Vielleichten will sie euch gern mal sehen. Sie hat eine Sehnsucht nach euch.“
    „Das liebe, gute Geschöpfle!“
    „Und weil sie nicht zu euch kommen kann, sollt ihr zu ihr. Das wird's sein.“
    „Denkst? Das ist eine große Ehr für uns.“
    „Ja, denn weißt, solche Sängerinnen sind gar vornehm und geehrt. Sie verkehren mit Fürsten und Grafen.“
    „Oh, die Leni sogar mit dem König!“
    „Desto größer ist die Ehr für euch.“
    „So eine Reise! Wir sind noch gar nie aus dem Örtle hier herauskommen. Wir wissen halt gar nicht, wie man so eine Reis' zu machen hat und wie man sich dabei benehmen muß.“
    Der Briefträger nahm eine wichtige Miene an und erklärte den beiden Alten:
    „Das verstehe ich schon besser als ihr. Man hat sich einen Bahnhofsbilletenzettel zu lösen und setzt sich auf die Bahn. Da muß man die Röcke und Kleider rechts und links hübsch zusammenschieben, damit man die anderen Passagiere nicht geniert, und wann man die Tabakspfeif ausklopft, muß man das zum Fenster hinaus tun, damit die Aschen und der Tabaksschmirgel denen Damen nicht auf die seidenen Kleider kommt. Den Hut muß man höflich abnehmen; besoffen darf man nicht sein, und kein Fenster soll man mit dem Kopf einschlagen. Zum Schaffner muß man sagen: ‚Ich bitt schön, gnädiger Herr‘, und überhaupt muß man nobel sein vom Kopf bis zum Fuß herab. Besonders soll man die Schuhe mit denen Füßen nicht den anderen auf die Knie legen, und wann man niest oder ausspuckt, soll man das Schnupftuch hübsch vor den Mund nehmen.“
    „O Jegerl! Was man sich da alles zu merken hat! Das ist so grausam viel!“
    „Es ist noch mehr, weit mehr! Wer es nicht weiß, der muß sich beim Lokomotivführer nach allem derkundigen; der sagt es ihm, denn dazu ist er ja da.“
    „Und gar nach Scheibenbad! Das kenn ich nicht.“
    „Aber ich kenn es. Weißt, wir obersten Beamten von der Post müssen eine ganz besonders genaue Geographie studiert haben. Scheibenbad ist nur ein kleines Städtle; aber es ist ein Bad, wo im Sommer viele vornehme Leutln beisammen sind. Letzthin hab ich davon im Blatt gelesen. Der König hat dort ein neues Theater bauen lassen, von einem ganz jungen Archivdirektoren, und das Gebäud soll ganz besonderbar prächtig sein. Es wird nächstens eingeweiht, sehr bald sogar, nämlich am – Himmelsakra! Da seid ihr dort!“
    „Wann?“
    „Grad auf der Mittwochen ist die Einverweihungen. Ich besinne mich ganz genau darauf. Ein absonderlich schönes Stuckiert wird geben, worinnen lauter Götter auftreten, die man sonst im Land niemals zu sehen bekommt. Lauter berühmte Sänger und Sängerinnen lassen sich da hören, und der König kommt auch.“
    „Singt er wohl auch mit?“
    „Das weiß ich nicht. Aber vielleicht hat auch die Leni einen Jodler mitzusingen.“
    „Meinst, daß auch die Götter jodeln?“
    „Warum nicht? Sie können auch mal lustig sein, wann ein gutes Bierl trunken haben.“
    „Oh, vielleicht sehn wir auch das Theatern oder gar das ganze Stück!“
    „Das kannst dir derlauben. Hast ja volle dreihundert Gulden. Da mußt dich aber zurechtmachen. Der Zug geht um fünf Uhr ab in der Früh.“
    „Schon! Und Mittwoch ist's? Das ist so bald. Da gibt's ja fast gar keine Zeit mehr, ein neu Gewand anzuschaffen und Schuhe brauch ich auch.“
    „So sputet euch und kauft ja ein recht nobles, denn ihr werdet dort von gar feinen Leuten angeschaut. Jetzund muß ich fort.“
    „Bekommst auch was für das Geld?“
    „Drei Kreuzern und ein Trinkgeldl für ein Bier. Für die Belehrung und Auskünften wegen der Reis', die ich euch postamtlich geben hab, will ich nix rechnen, weil ihr gar so arme Leuten seid. Unsereiner hat ein Herz im Leib, denn bei der Post können nur gefühlvolle Personen ein höheres Amt erhalten.“
    „Und wie hoch ist das Trinkgeld?“
    „Ganz nach Belieben. Kannst ein Sechskreuzerl geben; das macht grad ein Bier.“
    „Ich hab aber keins. Ich hab seit langen Wochen kein Kreuzerl

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