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72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

Titel: 72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Schüssel, und sein Weib schälte einige Kartoffeln, welche ihr das Mitleid geschenkt hatte. Sie machten keine freudigen Gesichter zu dieser Arbeit.
    Der Mann hielt inne, seufzte tief auf, legte Messer und Rinde in die Schüssel und sagte:
    „Mutter, was werden wir morgen essen, wann wir uns heut diese Kartoffelsuppen machen?“
    Sie sah nicht zu ihm auf, gab aber ihrer Stimme einen zuversichtlichen Ton, als sie antwortete:
    „Gräm dich nicht, Vater. Der liebe Herrgott wird für uns sorgen.“
    „Ja, er hat uns noch nicht ganz verhungern lassen, aber hungert haben wir doch.“
    „Es ist zu überstehen.“
    „Weiß schon! Du willst nur nicht klagen, damit ich den Sohn, den Anton, nicht schimpfier. Aber das liebe Wasser steht dir doch schon in denen Augen. Das seh ich doch, wann auch die meinigen schwach sind.“
    „Vater, ich bitt dich, sei still.“
    „Ich möcht wohl. Aber der Hunger ist ein lauter Gast. Er knurrt und murrt und hält nicht Ruh!“
    „Tröst dich doch! Die Nachbarn sind gute Leut. Vielleicht bekommen wir morgen wiederum ein Stückerl Brot.“
    „Vielleichten, ja! Und was ist's dann, wann wir es erhalten? Almosener, Bettler sind wir doch!“
    Die Frau fuhr sich mit dem Finger unter die Brille, um einen schweren Tropfen von dem Auge zu nehmen und sagte:
    „Es wird nicht lange mehr währen. Der Anton muß doch mal schreiben. Und wann er es so weit bracht hat, daß er was erübrigt, wird er schon einen Gulden senden oder zwei.“
    „Einen Gulden oder zwei! Herrgottle, wann ich dran denken tu!“
    „An was denn?“
    „Es drückt mir das Herz ab. Ich hab's dir nicht sagen wollen, aber ich kann's doch nicht länger für mich allein behalten.“
    „So sag's doch!“
    „Es wird dich kränken.“
    „Bin ich nicht dein treues Weib, welches Freud und Leid mit dir zu tragen hat?“
    „Freud und Leid! Ja, das Leid ist immer da und will nicht von uns weichen. Freud gibt's bloß dann einmal, wann die Leni an uns denkt. Das gute Herzerl muß aber auch uns vergessen haben. Es sind schon viele Wochen, daß sie nix schickt hat.“
    „Wer weiß, was ihr hinderlich ist.“
    „Ja, und sie hat's auch gar nicht nötig, an uns zu denken. Der Anton hat's nicht an ihr verdient.“
    „Sag das nicht. Sie haben einmal nicht zunander paßt.“
    „Gut, sehr gut haben's zusammenpaßt! Aber der Anton ist ein zuwiderer Kerlen gewest. Er hat dieses goldige Herz von sich stoßen. Und jetzt – nein, ich muß dir's doch sagen; ich kann's nicht mehr bei mir behalten!“
    „Sag's, Vater, sag's!“
    „Weißt noch, wie der Viehhändler da gewest ist vor drei Wochen?“
    „Ja, den merk ich mir. Hab ihm doch unsere Geiß verkaufen mußt, des lieben Brotes wegen. Was ist's mit ihm?“
    „Nun, der hat mir's heimlich erzählt, daß er in Wien gewest ist und den Anton troffen hat.“
    „In Wien? Ist er dort?“
    „Freilich ist er dort. Er ist vorher in Amerika gewest und hat sich ein heidnisch Geld zusammengesungen.“
    „Das glaub ich nicht. Da hätt er uns was schickt.“
    „Es ist wahr. Beinahe hunderttausend Gulden sind's gewest.“
    „Du, glaub's nicht, glaub's ja nicht.“
    „Ich muß es glauben, denn es ist wahr. Und nun verlebt er dieses Geld. Er lauft mit Dirndln herum; er hat eine Tänzerin habt, die jetzt im Zuchthaus sitzt und hat sich sogar einen fremden Namen macht.“
    „Herrgott, das ist nicht wahr!“
    „Freilich ist's wahr. Herr Criquolini läßt er sich nennen, und an einem Tag verspielt er zuweilen hundert Gulden. Der Händler hat sogar sagt, tausend.“
    Da ließ sie die Kartoffel zur Erde fallen und rief:
    „Vater, wannst alles glaubst, nur das nicht, nur das nicht! Der Anton ist unser Kind, das einzige, welches wir haben. Wann er ein solches Geld hätt, tät er uns nicht verlassen!“
    „Er hat es, er hat es! Es ist vorgekommen, daß man ihm tausend Gulden zahlt, wann er einmal im Theater singt.“
    „Das muß ein anderer sein!“
    „Nein, das ist der unserige. Und wir, seine Eltern, leiden Hunger. Ich hab seit gestern abend keinen Bissen – wer kommt dort?“
    Eine Gestalt kraxelte sich den Berg herauf. Die Augen der beiden Alten waren so schwach, daß sie den Nahenden nicht eher erkennen konnten, bis er beinahe vor ihnen stand.
    „Der Briefbote, der Briefbote!“ rief sie. „Vielleicht kommt er zu uns!“
    Sie sprang von der Bank auf.
    „Grüß Gott!“ sagte der Bergsteiger, indem er verschnaufte. „Heut bei der Sonn wird's einem schwer.“
    „Bringst uns was?“
    „Ja“,

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