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72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

Titel: 72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gehabt.“
    „Das schadet nix. Wer dreihundert Gulden hat, dem geb ich gern Kredit. Es ist ein gar schön und stolz Gefühl, wann man sich heimlich sagen kann, daß man sein Geld bei denen Leuten stehen hat. Zinsen und Prozenten berechne ich nicht. Da brauchst keine Angst zu haben.“
    „So hab einstweilen Dank! Das Geld bekommst gewiß.“
    „Das weiß ich, das weiß ich, und darum will ich das Geld auch nicht protestieren lassen beim Wechseladvokaten, denn so einen braven Mann wie dich werd ich doch nicht auspfänden lassen. Also macht eure Sach richtig, und behüt's Gott, bis ihr einzelnes Geld habt!“
    Er gab ihnen die Hand und ging.
    Die beiden alten Leute blickten sich an und brachen dann in Freudentränen aus. Dreihundert Gulden und so unerwartet! Das war ja ein Vermögen für sie. Nun hatte ja alle Not ein Ende.
    Sie gingen in ihr Häuschen und machten sich unter Lobeserhebungen für die Spenderin zum Ausgehen zurecht.
    Als sie dann miteinander den Weg nach der nahen Grenze einschlugen, ergingen sie sich in beglückenden und doch so bescheidenen Plänen über die Anwendung dieses vielen Geldes.
    Da drüben, im Dorf, in welchem die Leni früher beim Kapellenbauer als Sennerin in Dienst gestanden hatte, gab es eine Näherin und auch einen Schneider, welcher die schönsten Jacken machte weit und breit. Zu beiden wollten sie.
    „Weißt, das ist das allernötigste“, sagte er. „Und nachher, weißt, wohin wir dann gehen?“
    „Nun, wohin?“
    „In den Gasthofen.“
    Sie blieb erstaunt stehen.
    „In den Gasthofen? Bist gescheit, Mann?“
    „Ja“, nickte er bestimmt. „Heut wird in den Gasthofen gangen und mal fein gespeist.“
    „Du, da willst mal oben hinaus!“
    „Das will ich auch. Heut ist ein Feiertag.“
    „Aber das Geld, was es kosten wird!“
    „Das haben wir! Die Leut da drüben sollen auch mal schauen, was der alte Warschauer vermag, wann er mit seinem Weiberl spazieren geht.“
    „Ja, heut bist ein Großer!“
    „Heut bin ich dick! Da hast recht. Wir haben seit gestern nix gessen, nicht einen Bissen. Da wollen wir uns mal ausheilen. Ein Bier wird trunken oder gar zwei, du eins und ich eins. Dann essen wir ein Wurst und Brot, und ich rauch eine Zigarren danach.“
    „Alter! Du artest aus!“
    „Nein. Aber sehen will ich mich doch auch mal lassen. Ich kneif die Zigarren verächtlich in den rechten Mundwinkel und schau nach der linken Seit so stolz hinüber, als ob ich der Rothschild sei. Weißt, ich brauch sie doch nicht grad anzubrennen, damit sie länger ausreicht.“
    „Das will ich mir eher gefallen lassen. Da hast auf die andern Tag auch noch was.“
    „So ist's. Und wannst berechnen tust, ist's gar nicht so schlimm. Zweimal Bier macht sechzehn Pfennigen, die Zigarren kostet drei und zweimal Brot mit Wurst gilt vierzig. Das gibt zusammen neunundfünfzig. Wenn ich dann der Magd, die es bringt, den Pfennig als Geschenkpräsent geb, so bin ich ein großer Mann, und wir haben uns für sechzig Pfennig ein Gaudium erwiesen.“
    In dieser Art und Weise unterhielten sie sich, bis sie drüben ankamen.
    Da ging sie zur Näherin und er zum Schneider, wo sie ihre Bestellungen machten und sich das Maß nehmen ließen. In der Schenke trafen sie sich.
    Da gab es einige Gäste, welche vor dem Haus saßen und sich verwunderten, daß diese blutarmen Leute sich auch einmal herbeiwagten.
    Diese bestellten das Erwähnte und ließen es sich dann wohl sein.
    Während sie speisten, kam noch ein Gast, ein fremder, städtisch gekleideter und sehr vornehm aussehender Herr, welcher sich an einen einzeln stehenden Tisch setzte und auch ein Bier verlangte. Als die Magd ihm dasselbe brachte, erkundigte er sich:
    „Sind Sie vielleicht aus diesem Ort?“
    „Ja“, nickte Sie.
    „So kennen Sie die Leute hier alle?“
    „Alle.“
    „Auch die Muren-Leni?“
    „Oh, die erst recht. Wir sind ja in einem Jahr geboren und haben in der Schul gar nicht weit ausnander sessen.“
    „Wissen Sie nicht, wo sie jetzt ist?“
    „Nein, Sie hat seit gar langer Zeit nix mehr von sich hören lassen.“
    „Man sagte mir, daß sie jetzt hier auf Besuch sei.“
    „Davon weiß ich nix.“
    „Es soll ganz gewiß sein.“
    „Da müßt ich's doch auch hört haben. Vielleichten ist's doch so. Da kommt gleich einer, der es sicher wissen tät.“
    Sie zeigte auf einen Bauersmann, der soeben langsam und gemessenen Schritts herbeigestiegen kam. Es war eine behäbige Gestalt, und auf seinem Gesicht war ein gutmütiges

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