72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
es mit einem Gartenangestellten oder Parkhüter zu tun zu haben. Es antwortete mir jemand, und ich schritt weiter. Da plötzlich verlor ich den Boden unter den Füßen.“
„Ah, das war das Loch!“
„Ja. Ich stürzte hinab und fühlte mich bald von Stricken umschlungen. Man zog mich heraus und steckte mich in die Zelle, in welcher ich Paula fand. Wir befreiten einander von den Fesseln und – nun, das übrige wißt ihr ja!“
Während dieses kurzen Berichts war der Fex in eine Ecke getreten, in welcher die Weinflaschen standen. Er wollte eine derselben öffnen, um der Geliebten einen Labtrunk zu geben. Als er sie wegnahm, sah er, daß sich in der Mitte eines der Steine, mit denen der Fußboden gepflastert war, ein Ring befand. Jetzt nun teilte er diese Entdeckung den anderen mit.
Es wurde nachgesehen, und der Sepp meinte:
„Vielleicht kann man den Stein herausholen. Wollen es doch mal versuchen!“
Es ging viel leichter, als man dachte. Der Stein war gar nicht schwer. Er bestand nur aus einer dünnen Platte. Als er entfernt worden war, sah man ein Loch, in welchem einige Bücher lagen. Der König erhielt sie und blätterte sie durch.
„Das ist ein kostbarer Fund“, sagte er. „Diese Bücher enthalten die ganze Buchführung des Juden, welche sich auf den Mädchenhandel bezieht. Er betreibt dieses Geschäft schon seit langen Jahren, und es scheint außerordentlich lohnend zu sein. Das ist ein Beweismaterial, welches wir an uns nehmen werden. Aber ich bemerke abermals, daß meine Person nicht dabei ins Spiel kommen darf. Von meiner Anwesenheit darf niemand etwas erfahren.“
Jetzt begaben sich der Sepp und Max in die zwei Gewölbe, in welchen sich die anderen Mädchen befanden. Bei ihrer Rückkehr meldeten sie, daß dieselben alle nach ihrer Freiheit verlangten.
„Lassen wir sie heraus?“ fragte der Sepp.
„Nein“, antwortete Ludwig. „Habt ihr es ihnen gesagt, daß ihr sie befreien könnt?“
„Noch nicht.“
„Das ist gut. Wir holen Polizei herbei. Diese Leute müssen sich heut abend verstecken, wenn die Franzosen kommen. Ihr selbst tut, als ob ihr Beauftragte des Juden wäret und verhandelt ihnen die Mädchen alle. Erst wenn sie dieselben bezahlt haben, ist der Beweis vollständig gegen sie erbracht, und die Polizei mag eingreifen und ihre Pflicht tun. Das Schiff wird dann konfisziert. Dann ist eure Pflicht getan, und ihr könnt nach der Heimat zurückkehren.“
„Ich auch?“ fragte der Sepp.
„Ja. Nach dem, was mir hier begegnet ist, sehe ich davon ab, meine Absicht, welche mich hierher trieb, weiter zu verfolgen. Ich reise morgen früh zurück. Diesen traurigen Ort aber verlasse ich gleich jetzt. Wenn unser Fex seine Paula nicht länger hierlassen will, können beide mich begleiten.“
„Ja, er mag sie zu Martha und Anita führen. Bei ihnen wird sie sich bald erholen.“
Nach kurzem entfernten sich die drei. Der Fex nahm die Bücher mit und erbot sich, die Polizei über die hier gemachten Entdeckungen zu verständigen. –
Was nun an diesem Abend geschah, braucht nicht ausführlich berichtet zu werden. Am anderen Morgen erfuhren die Bewohner der Stadt, daß das von dem Kapitän Marmel geführte französische Schiff konfisziert worden sei, da es sich mit Menschenhandel befaßt habe. Erst die gerichtlichen Verhandlungen enthüllten das nähere.
Der Jude kam mit seinem Weib lebenslänglich auf das Zuchthaus, und seine Komplizen wurden ebenso bestraft.
Als man dann in das Innere der Insel eindringen wollte, stand dasselbe voller Wasser. Die See hatte Zutritt gefunden und verbot alles Nachforschen über die Geheimnisse dieses Ortes, der vielleicht für Tausende verhängnisvoll gewesen war.
SIEBENTES KAPITEL
Glückliche Paare
Der Frühling war eingezogen, und das schöne, heilige Pfingstfest stand vor der Tür. Selbst in den Schluchten der bayrischen Alpen war der Schnee weggeleckt worden, und der Sonnenschein lag mild und warm auf den grünen Matten.
Die wenigen, kleinen Hütten droben über Elsbethen, jenseits der Salzburger Grenze, erfreuten sich nach der Winterkälte dieses Sonnenlichts und ihre Bewohner nicht minder.
Vor einer dieser Hütten saßen zwei alte Leute, ein Mann und eine Frau, auf der alten Türbank. Sie hatten beide wohl altersschwache Augen, denn dieselben waren durch Brillen geschützt. Sie trugen sich sehr ärmlich, dabei aber sauber und reinlich. Es waren die Eltern des Krickel-Anton.
Der alte Mann schnitt eine harte Brotrinde in eine braune, tönerne
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