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72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

Titel: 72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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lächelte er. „Es ist für euch.“
    „Gewiß von unserm Anton aus Wien?“
    „Aus Wien ist's, aber nicht vom Anton.“
    Die Züge der Frau wurden wieder traurig, wie vorher. Sie hatte sich abermals geirrt.
    „So ist's von der Leni“, sagte ihr Mann. „Das Geld, welches sie uns im März schickt hat, war aus Wien.“
    „Nein, von der ist's nicht. Der ihre Hand tät ich kennen.“
    „So ist's ein fremder Brief?“
    „Jawohl.“
    „Herrgott! Er wird doch nix Böses enthalten?“
    Der Briefträger tat noch immer so, als ob er den Brief suche; er hatte ihn aber längst in der Hand. Sein Gesicht war ein sehr verheißungsvolles, was aber die alten Leute nicht sahen.
    „Habt keine Angst. Ein schlimmer ist's nicht. Er wird euch Freude machen.“
    „So, so? Warum?“
    „Weil er fünf Siegeln hat. Hier ist er.“
    „Fünf Siegeln! So ist wohl gar ein Geld darinnen?“
    Der Alte drehte den Brief in seinen zitternden Händen hin und her und gab ihn dann auch seiner Frau, die ihn neu- und begierig betrachtete.
    „Ja, ein Geld ist drinnen, und zwar was für eins!“
    „Wirklich? Wirklich? Gott sei Dank! Da werden wir uns ein Brot kaufen können.“
    „Nur eins?“
    „Meinst etwa mehr?“
    „Oh, von diesem Geld könnt ihr euch hundert Brote kaufen, ja sogar tausend.“
    „Tau – was sagst?“
    „Tausend Brote.“
    „Das ist die Unmöglichkeit!“
    „Kannst dir's ja selber ausrechnen, wannst nicht glaubst. Brauchst ja nur die Adreß zu lesen.“
    „Wie lautet sie denn?“
    „An Herrn Heinrich Warschauer, Elsbethen bei Salzburg. Stimmt das?“
    „Ja, derjenige bin ich freilich.“
    „Unten drunter steht ‚frei‘ und oben drüber ist zu lesen: ‚Inliegend dreihundert Gulden in Scheinen‘. Nun, wie gefallt euch das?“
    „Hast richtig gelesen?“
    „Ja, natürlich.“
    „Was soll drinnen sein? Wieviel?“
    „Dreihundert Gulden.“
    „Das ist nicht wahr!“
    „Es steht ja da!“
    „So hat sich wer einen Spaß macht.“
    „Kannst dich ja überzeugen!“
    „Wodurch denn?“
    „Mach den Brief auf!“
    „Darf ich denn?“
    „Jawohl. Er ist der deinige; er ist ja an dich adressiert. Die Adressen stimmt.“
    „Herrgott, wie ist mir nur. Ich zittere gar so sehr. Mach du ihn auf, Briefbote! Ich zittere gar so sehr. Hier ist das Messer.“
    Er gab ihm Brief und Messer hin. Er zitterte vor Aufregung fast am ganzen Körper.
    Der Postbote schnitt das Kuvert auf und nahm den Inhalt heraus. Dieser bestand aus einem Brief und drei Hundertguldennoten.
    „Da, seht ihr?“ rief er aus. „Dreihundert Gulden. Hab ich's nicht sagt?“
    „Drei – hun – dert – Gul – den!“ rief er.
    „Drei – hun – hun – hun – Jesses, Maria und Josepp! Ist das die Möglichkeit?“ rief sie.
    „Ja, da liegt das Geldl. Nehmt's doch nur in die Hand.“
    Er drückte ihnen die Scheine in die Hände.
    „Das ist ja der wirkliche Himmel!“ sagte der alte Mann. „Von wem ist's denn?“
    „Das wird wohl im Brief stehen.“
    „Da müssen wir ihn lesen.“
    „Jawohl.“
    „So lies du ihn! Mir gehen die Augen über.“
    Das war wohl wahr; doch war es überhaupt in Beziehung auf das Lesen schlecht mit ihm bestellt.
    Der Postbote faltete den Brief auseinander und las:
    „Meine herzlieben Leutln. Wie geht es Euch? Ist es mit Euren alten Augen noch nicht besser? Ich möcht gern haben, daß Ihr nächsten Mittwoch nach Scheibenbad kommt, wo ich Euch sehen möcht. Ihr müßt mit dem ersten Zuge fahren, und ich werd zu Euch in die Talmühle kommen, wo ich Logis für Euch bestellt hab. Damit Ihr das Geld zum Fahren habt und Euch auch ein gut Gewand zu dieser Reise kaufen könnt, leg ich Euch hier das Geld bei. Kommt aber ja, denn ich verlaß mich darauf. Es grüßt Euch
    Eure Leni.“
    Die beiden Leute starrten einander an.
    „Die Leni!“ rief sie.
    „Die Leni!“ rief er. „Hab's mir denken könnt! Dreihundert Gulden! Herrgott, muß die ein Geld übrig haben.“
    „Ja“, meinte der Briefträger mit wichtiger Miene. „Die Sängerinnen bekommen ein grausam Stückerl Geld.“
    „Die Sänger wohl auch?“
    „Auch!“
    „Unser Anton leider nicht!“
    „Nicht?“ fragte er mit Betonung.
    „Nein.“
    „Hm!“
    „Was hast? Warum brummst so?“
    „Weil ich hab munkeln hört.“
    „Sag's, was hast hört?“
    „Daß er viel Geld verdient, sehr viel Geld, aber euch gibt er nix.“
    „Das sagen die Leut?“
    „Ja, das sagen sie.“
    „Da tun sie ihm unrecht.“
    „Das weiß ich nicht. Ich hab's sagen hört;

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