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72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

Titel: 72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Anfang wollte nicht kommen.
    Da erbarmte sich der Frenzel abermals seiner. Er wollte ihm einhelfen und sagte darum, aber so laut, daß alle es hörten:
    „Fang an! Sag, meine verehrten Herrschaften!“
    Das war Rettung in der höchsten Not. Der Herr Direktor begann:
    „Meine verehrten Herrschaf – meine verkehrten Ferrkaf – keine vermehrten – feine verkehrten – Herr – Verr – Kerr – Scherr – Kreuzhimmeldonnerwetter! Ich komm nit in die richtigen verehr – vermehr – versehr – verheerten – o du Unglück und Sauerkraut! Jetzunder ist die Wenzelei blameriert! Jetzunder ist die ganze Wenzeleien zum Teufel! Aber ich werd schon noch unsere Ehre retten. Nehmt's also die Gläsern in die Hand und trinkt auf alle Gesundheiten, die hier versammelt sind. Stoßt an! Dreimal hoch!“
    Natürlich war ein geradezu homerisches Gelächter ausgebrochen, welches nun überschallt wurde von dem dreimal wiederholten Tusch des Orchesters.
    Der König hatte diesen Patenttoast nicht gehört. Er hatte sich entfernt.
    Dann aber, als die Tafel wieder abgetragen worden war, begann der Ball von neuem. Die Fröhlichkeit war eine reine und ungetrübte, und als das Fest zu Ende war, erklang es allgemein:
    „So einen Tag des Glücks haben wir noch nicht erlebt. Wir haben ihn unserm König zu danken. Frömmigkeit, Fleiß, Liebe und Treue, Treue vor allen Dingen dem Heerde, der Familie, dem Vaterlande und dem Herrscher, das ist der einzige und wahre Weg zum Glück!“

ACHTES KAPITEL
    Schluß
    Nach diesem fröhlichen Abend waren einige Jahre vergangen. Der Mai des Jahres 1886 hatte Berge und Täler, Wälder und Felder mit frischem, jungem Grün geschmückt, und nun lag ein wunderschöner Junimorgen in jungfräulichem Glanz über dem Starnberger See und dessen Ufer ausgebreitet.
    Wer einmal in Feldafing, dem Lieblingsaufenthalt der Kaiserin Elisabeth von Österreich gewesen ist, der weiß die Schönheiten dieses Sees, welcher auch Würmsee genannt wird, zu rühmen.
    Seit kurzem hatte sich dort eine kleine Touristengesellschaft zusammengefunden, deren Glieder von Nord und Süd, von Ost und West herbeigekommen waren, sich an der erwähnten Schönheit zu ergötzen und die delikaten Renkenfische des Sees zu verspeisen.
    Unter ihnen befand sich ein junges Ehepaar. Der Mann war Maler und hieß Johannes Weise. Ein Knecht des Wirts, welcher von außen her stammte, behauptete, dieser Künstler sei ganz armer Leute Kind, stamme aus dem Dorf Hohenwald und sei dort nur der Elefanten-Hans geheißen worden.
    Sein wunderhübsches Weibchen hatte in ihren Zügen und ihrem ganzen Wesen einen südlichen Anstrich und hatte durch die Zärtlichkeit, mit welcher sie um ihren Mann besorgt war, und die einfache Natürlichkeit, mit welcher sie sich gab, die Zuneigung einer jungen, städtischen Dame gewonnen, welche aus dem fernen Hannover herbeigekommen war, um ihre Brust in der reinen Luft der Berge zu baden.
    Die beiden Damen saßen jetzt bei ihrem Morgenkaffee, den sie sich auf einem vor der Tür stehenden Tischchen hatten servieren lassen, in einem jener Gespräche, wie sie von Damen während des Kaffees geführt zu werden pflegen.
    „Also Sie sind wirklich keine Bayerin“, sagte die Norddeutsche. „Das habe ich Ihnen doch gleich angesehen.“
    „Nein. Ich bin eine Italienerin.“
    „So haben Sie Ihren lieben Gemahl wohl während einer Kunstreise kennengelernt, welche er nach Ihrer Heimat machte?“
    „So ungefähr war es. Er war in Ägypten gewesen und befand sich auf der Rückreise in Triest. Ich war dorthin gekommen, um trüben Verhältnissen zu entfliehen, welche mir in meiner Heimat aufgezwungen werden sollten. Er nahm sich meiner an, und so lernten wir uns kennen und lieben.“
    „Sie Glückliche!“
    Es glitt bei diesen Worten ein Zug Schwermut über das ernste, schöne Gesicht der Hannoveranerin. Es war kein Neid, der sich in ihm aussprach, aber ein ungestilltes, trübes Sehnen nach dem gleichen Glück.
    Anita blickte sie für einen Moment lang forschend an und fragte dann:
    „Sie sind nicht glücklich?“
    „Wie kommen Sie zu dieser Ansicht?“
    „Weil Sie stets so ernst sind. Man sieht Sie kaum einmal lächeln. Das hat mir immer weh getan.“
    Jetzt lächelte die andere doch gleich; aber es war nicht das Lächeln des unbefangenen Wohlbehagens, sondern mehr dasjenige erzwungener Entsagung. Sie richtete ihr dunkles, großes Auge in die Ferne, wo man über den See hinweg die ganze bayrische Alpenkette von der Zugseite bis

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