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72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

Titel: 72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zum Watzmann und Untersberg erblicken konnte und antwortete in ihrem gewöhnlichen, so milden Ton:
    „Was nennen Sie glücklich, mein liebes Kind? Unglücklich bin ich nicht; aber eines Glücks habe ich mich auch nicht zu rühmen.“
    „Sie tragen ein Leid mit sich herum?“
    „Ja. Doch hoffe ich, daß die Zeit es mildern werde. Die Eltern sind mir während des vergangenen Herbstes fast an einem und demselben Tag gestorben. Sie waren jährlich mit hier im schönen Bayernland und nun bin ich allein.“
    „Sie haben keine Verwandte?“
    „Ich habe welche, aber sie sind stolze, auf ihr Vermögen eingebildete Leute, und das widerstrebt meinem Gefühl.“
    Es war fast ein Blick des Mitleides, mit welchem die Malersfrau die andere jetzt betrachtete.
    „Aber Sie haben Freundinnen?“ fragte sie.
    „Auch nicht, wenigstens was ich Freundinnen nennen möchte. Man verkehrt in großen Städten ja wohl mit seinesgleichen, aber meist ohne einen Herzensanschluß zu finden.“
    „Aber, da sind Sie doch gar sehr zu bedauern!“
    „Vielleicht nicht so sehr. Es mag die Schuld mit an mir liegen. Es kann sein, daß ich nicht sehr anschlußfähig bin.“
    „Oh, das dürfen Sie nicht denken. Wir sind erst so kurze Zeit hier beisammen und haben uns doch wohl schon ein wenig liebgewonnen. Oder nicht?“
    „Ja, das ist wahr“, antwortete die Gefragte, dieses Mal mit einem wirklich herzlichen Lächeln. „Hier gibt es andere Leute. Hier tritt einem der Wunsch nahe, für immer dazubleiben bei den Leuten, die sich so natürlich zu geben wissen.“
    „Nun, so bleiben Sie doch da! Oder hält etwas Sie davon ab?“
    „Nein, ich bin Herrin aller meiner Handlungen und kann tun und lassen, was ich will.“
    „Nun, dann würde ich kurzen Prozeß machen und die Stadt hinter mir liegen lassen.“
    „Ja, Sie sind ein kleines, liebes, resolutes Wesen. Sie haben der Heimat entsagen können, weil Sie der Liebe folgten. Diese ist stark und vermag wohl alle Bande zu zerreißen.“
    „Haben Sie sie noch nicht kennengelernt?“
    Die Gefragte errötete ein wenig, antwortete aber doch:
    „Nein; ich bin nicht so glücklich gewesen wie Sie.“
    „So warten Sie nur! Sie wird schon noch kommen. Sie kommt einem jeden Menschen einmal.“
    „Das wissen Sie so genau?“
    „Ja. Mein Mann hat es gesagt, und da muß es wahr sein.“
    Das klang so naiv zuversichtlich, daß die andere ein leises Lachen hören ließ.
    „Sie scheinen Ihren Mann für sehr kompetent zu halten?“
    „Durchaus!“ nickte Anita sehr bestimmt.
    „In allen Sachen?“
    „Ja. Eine Frau, welche ihren Mann wirklich lieb hat, muß ihn für einen Ausbund von Klugheit halten. Was der meinige sagt, das gilt bei mir.“
    „Dann ist er zu beneiden!“
    „Meinen Sie, das sei eine Schwäche von mir? O nein. Ich habe auch meinen Willen. Ich kann auch auftreten. Wir haben beide ganz gleiche Rechte. Aber was die Welt und das Leben betrifft, so ist ein Mann doch stets klüger und erfahrener als die Frau.“
    Sie hatte das mit solchem Nachdrucke, so angelegentlich versichert, daß die Norddeutsche ihr die Hand entgegenstreckte und dabei sagte:
    „Sie sind wirklich ein allerliebstes, herzensgutes Wesen. Wollen wir nicht Freundinnen sein?“
    „O wie gern!“
    „Wirklich?“
    „Ja, ich habe es Ihnen schon anbieten wollen, mich aber gefürchtet.“
    „Sehe ich so furchterweckend aus?“
    „Nein, aber so vornehm.“
    „Ach, das ist nicht weit her. Mein Vater war Bankier. Das ist doch weiter nichts.“
    „Nun, das ist schon etwas! Der meinige war Maler.“
    „Also Künstler? Da bin ich Ihnen also nicht einmal ebenbürtig.“
    „Ach, gehen Sie! Wollen keine solche Entscheidungen treffen, sondern lieber dabei bleiben, daß wir uns lieb haben müssen. Nicht?“
    „Sehr gern.“
    „So müssen wir es betrinken“, lachte sie lustig auf.
    „Wohl in Champagner?“
    „O nein, sondern in Kaffee, denn dieser ist ja der Frauensekt. Stoßen wir an! Auf ewige, unerschütterliche Freundschaft!“
    Die Tassen klirrten zusammen, was dem Vertrag einen etwas drolligen Anklang gab. Dann sagte die Hannoveranerin:
    „So müssen wir aber von jetzt ab alle Titulationen fallenlassen!“
    „Natürlich.“
    „Uns nur beim Vornahmen nennen.“
    „Das versteht sich.“
    „Wie darf ich also zu Ihnen sagen?“
    „Ich heiße Anita. Der Familienname meines Mannes ist Weise. Und Sie?“
    „Ich heiße Margarethe und wurde von den Eltern Marga, von andern zuweilen auch Gretchen genannt.“
    „Marga klingt mir

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