72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
erhalten habe, mitzufahren.
Eben jetzt kam der Pächter wieder aus dem Haus, um sich, den geleerten Korb in der Hand, nach seinem Boot zu begeben.
„Tobias, dürfen wir mit hinüber?“ fragte Anita.
Er nickte ihr freundlich ernsthaft zu und antwortete:
„Wann 'S gleich mitkommen wollen, so mag's halt gehen. Ich hab nit lange Zeit.“
„Wir sind schon fertig.“
„So kommen 'S!“
Sie folgten ihm und nahmen nebeneinander auf dem vorderen Quersitz Platz. Tobias setzte sich hinten nieder und griff zu den Rudern. Das Boot stieß vom Land.
Die erste Zeit verging im Schweigen. Dann aber fragte Anita:
„Tobias, wissen Sie nicht, ob es da drüben irgendwo eine kleine, hübsche Wohnung für eine anständige Dame gibt.“
„Gibt's wohl“, antwortete er.
„Aber wo?“
„Hier und da.“
„Können Sie uns eine nennen?“
„Fragen 'S nachher meine Frau!“
„Aber Sie können uns doch ebenso gut Auskunft erteilen!“
„Das tu ich nit.“
„Warum nicht.“
„Ich tu es halt nit.“
„Sie müssen doch einen Grund dazu haben!“
„Hab ich schon auch.“
„Welchen denn?“
„Mag nix zu verantworten haben.“
„Wenn eine Wohnung nicht gefällt, die Sie vorher empfohlen haben, nicht wahr?“
„So ist's!“
Er ruderte langsam und taktmäßig weiter. Während seiner Antworten hatte er keinen Blick auf Anita geworfen, mit welcher er doch sprach.
„Der ist allerdings nicht quecksilbern“, flüsterte sie der Freundin zu.
„Nein, gar nicht“, lächelte diese.
„Soll ich ihn mir wirklich zum Muster nehmen?“
„Das möchte ich denn doch nicht raten. Ein wenig Quecksilber ist auch angenehm.“
„Das tröstet mich.“
Da der See hier nicht breit war, legten sie nach Verlauf einer Viertelstunde drüben an. Als sie ausgestiegen waren, fragte Anita den Pächter:
„Ist denn vielleicht die Wohnung in Ihrem Haus noch frei?“
„Mag sein.“
„Und sind Sie noch gewillt, sie zu vermieten?“
„Geht mich nix an.“
„Wen denn?“
„Die Warschauersleut. Denen gehört das Haus.“
Er hing den Kahn an, nahm den leeren Korb auf und schritt davon, als ob gar niemand zugegen sei.
„Warten Sie doch!“ rief Anita ihm nach. „Wir müssen doch die Überfahrt bezahlen.“
„Kostet nix!“ antwortete er, ohne sich umzudrehen.
„Ein Original!“ lachte die junge Frau halb ärgerlich. „Der sollte mein Mann sein! Tut nix, macht nix, kostet nix, weiter nix! Dem wollte ich schon die Zunge lösen!“
Ein schmaler Pfad führte vom Ufer empor, wo auf halber Höhe ein schmuckes Häuschen stand, hinter welchem die Wirtschaftsgebäude versteckt lagen. Das Parterre war, wie man leicht bemerkte, für zwei Familien eingerichtet, rechts eine größere, links eine kleinere Wohnung. Im Stockwerk schienen die Kammern zu liegen.
Das Vorgärtchen war sehr gut gepflegt. Überhaupt machte alles den Eindruck behaglicher Sorgfalt.
„Die alten Warschauers wohnen links, in der kleinen Hälfte des Parterres“, erklärte Anita. „Zu ihnen müssen wir.“
Sie traten in den Flur, wo blitzblank gescheuertes Milch- und anderes Geschirr stand und klopften links an.
„Ja, herein!“ erklang es von innen.
Als sie nun eintraten, sahen sie sich in einem behaglichen Raum, welcher vor Reinlichkeit erglänzte. Am Tisch saß das alte Ehepaar. Sie stopfte an einem Strumpf, und er schnitzte an einem neuen Pfeifenkopf herum. Jetzt sah es allerdings ganz anders bei ihnen aus, und sie selbst machten einen weit anderen Eindruck als damals, wo der Anton in Wien sein Geld vergeudete, ohne seiner armen Eltern zu gedenken.
„Guten Morgen“, grüßte Anita munter. „Kennen Sie mich noch?“
„Grüß Gott!“ nickte der Alte. „Werd's schon noch kennen, wissen 'S, von dem Theaterabend her, wo der Elefanten-Hans, Ihr Mann, die Kulissen dazu malt hat. Nachher sind 'S doch auch mal jetzt wiederum dagewest.“
„Wegen des Logis.“
„Es war für Sie zu klein.“
„Ist es noch frei?“
„Ja. Es sind Leut dagewest, die es haben wollten, aber wir sehen uns die Personen an. Wir wollen nur jemand haben, der uns halt gefallen tut.“
„Das ist begreiflich. Hier ist eine gute Freundin von mir, welche grad ein solches Logis sucht, wie Sie haben.“
Der Alte rückte sich seine Brille zurecht, betrachtete Marga, sah dann seine Frau an und sagte:
„Was meinst dazu, Alte?“
Die Frau knickste vor Marga und antwortete ihm dann:
„Wannst willst, mir ist's ganz recht.“
„Ja, eine Saubere ist's, und ein gutes Aug hat's
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