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72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

Titel: 72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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die Augen mit dem Ärmel der alten Jacke und zwang sich zur Antwort:
    „Weißt denn noch nicht, was geschehen ist?“
    „Nein. Mit wem denn?“
    „Mit dem König.“
    „Da weiß ich kein Wort. Was ist's denn?“
    „Nach Schloß Berg wird er schafft.“
    „Warum?“
    „Weil sie sagen, daß – daß – daß er den Verstand verloren hat. O mein Herrgott, o mein Herrgott!“
    Wieder weinte er grad hinaus.
    Die andern standen dabei, ganz starr vor Schreck. Warschauer hielt den Sepp, sonst wäre derselbe von der Bank gefallen.
    „Der König wahnsinnig!“ sagte er. „Das ist doch gar nicht möglich.“
    „Vielleicht doch“, bemerkte Marga bescheiden. „Ich habe bereits davon sprechen hören.“
    „Wirklich, wirklich?“
    „Ja. Er soll bereits seit längerer Zeit krank sein.“
    „Ich glaub's nicht. Sepp glaubst du es?“
    Der Gefragte schüttelte verzweifelt den Kopf und antwortete:
    „Was weiß ich! Ich weiß nur das eine, daß alles, alles aus ist. Der König Ludwig stirbt und der Sepp auch.“
    „Das darfst nicht sagen“, gegenredete Warschauer. „Der Herrgott lebt ja noch.“
    „Das weiß ich. Aber mein König ist krank. Es darf niemand mehr zu ihm. Die Irrenärzte sind bei ihm. Ich mag nicht mehr leben, denn auch er überlebt es nicht. Laßt mich fort, laßt mich fort! Ich muß weiter nach Berg, wohin's ihn schaffen wollen!“
    Er wollte aufstehen, fiel aber wieder auf die Bank zurück.
    „Wo denkst hin?“ antwortete Warschauer. „Du kannst nicht weiter!“
    „Ich muß, ich muß!“
    „Du darfst aber nicht!“
    „Ich muß. Ich geh fort!“
    Er raffte sich mit Gewalt auf, geriet aber sogleich ins Wanken und mußte gehalten werden.
    „Sei verständig, lieber Sepp“, bat der Wirt. „Jetzt kannst unmöglich weiter. Du mußt dich ausruhen. Komm herein in die Stuben. Ich werd dich führen.“
    Er nahm ihn unter dem Arm. Er ging nur sehr langsam. Sepps Beine zitterten sichtlich. Drin in der Stube angekommen, sank er sofort auf das Kanapee.
    Vorher, unterwegs, hatte er sich noch aufrecht halten können; jetzt aber, wo die Schwäche sich nun einmal seiner bemächtigt hatte, kam er nicht wieder auf.
    „Was hast denn aber macht?“ fragte Warschauer. „Der Schreck kann's doch nicht allein gewest sein!“
    „Nein, der nicht allein“, keuchte Sepp.
    „Was denn?“
    „Ich hab hört, daß mein König krank ist, und zu ihm wollt ich. Aber man hat mich nicht zu ihm lassen. Da hab ich keine Ruhe habt bei Tag und Nacht und bin draußen legen in Wind und Wetter, um zu erlauschen, wie es mit ihm steht. Dabei muß ich mich verkältet haben, und nun geht's mit mir zu End.“
    „Mach mir keinen solchen Witz!“
    „Glaubst, daß ich mit dem Tod Scherz treiben tu?“
    „Nein, aber man stirbt nicht so leicht.“
    „Wann's aber einmal beginnt, dann geht's auch sehr schnell.“
    Er konnte nicht zusammenhängend sprechen. Sein Atem ging keuchend. Seine Augen und Wangen glühten. Er hatte das Fieber.
    „Wollen Sie nicht nach einem Arzt senden?“ fragte Marga.
    „Arzt? Ein Doktor?“ rief Sepp. „Ich mag keinen. Ich brauch keinen!“
    Er richtete sich aus seiner liegenden Stellung auf dem einen Ellbogen auf und blickte wild, stier und zornig um sich.
    „Aber Sepp, Sepp sei doch geduldig!“ bat Warschauer. „Du bist krank. Du mußt doch einen Doktoren haben!“
    „Ich will ihn nicht sehen. Er soll mir weit davon bleiben. Wer mir einen Doktoren bringt, den schlag ich tot!“ schrie der Kranke.
    Das Fieber hatte sich seiner bemächtigt.
    Da kniete Marga vor dem Kanapee nieder, zog den Sepp auf dasselbe zurück, ergriff mit ihrer Rechten seine Hand, legte ihm die Linke auf die Stirn und sagte in mildem Ton, welcher einen ganz eigentümlichen, bezwingenden Wohlklang hatte:
    „Sepp, lieber Sepp, höre mich an! Kennst du mich noch?“
    Sein Blick verlor die Starrheit. Sein Gesicht nahm den Ausdruck größerer Ruhe an. Er sah nicht nach der Sprecherin. Er schien zu horchen.
    „Hast du mich gehört?“ fragte sie abermals.
    Seine Brust atmete noch schwer, aber es ging ein Lächeln über seine alten, lieben Züge. Er richtete den Blick nach der Decke empor und antwortete:
    „Ja, diese Stimme, die kenn ich gar wohl, die muß ich hört haben.“
    „Besinne dich: wo?“
    „Es fallt mir nicht ein. Sag's selbst!“
    „Es war auf dem Wege von Pöking nach Possenhofen im Sommer vorigen Jahres.“
    „Ja, ja, jetzund besinn ich mich. Du trafst mich am Weg, und weil ich nicht vornehm aussah, hast mich für einen

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