72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
auch. Wann ihr die Stuben gefallt, so soll's sie haben. Kannst sie mal emporführen.“
Mutter Warschauer führte die beiden Damen nach der Etage empor. Der Alte setzte sich wieder nieder und schnitzte weiter. Nach einiger Zeit kehrten die drei zurück.
„Nun, wie ist's?“ fragte er.
„Das Fräulein hat gemietet.“
„Auch was dazu?“
„Alles, die ganze Pflege.“
„Und wann zieht's an?“
„Heut noch. Kannst mit nüber rudern nach Feldafing und ihre Sachen holen.“
„Wird gern geschehen.“
Er erhob sich, streckte Marga die Hand entgegen und fuhr fort:
„Hier haben 'S meine Hand, und sein 'S willkommen. Haben 'S die Eltern noch?“
„Nein, ich bin eine Waise.“
„So können 'S mir brav leid tun. Denken 'S halt, daß Sie hier bei denen Eltern sind. Und sagen 'S, wie wir Sie nennen sollen.“
„Ich heiße Margarethe Siebers und bin aus Hannover, werde aber von Bekannten am liebsten Marga genannt.“
„Dürfen auch wir so sagen?“
„Ja, ich bitte darum.“
„So setzens sich halt ein bißle nieder. Ich muß Ihnen einen Enzianschnaps eingießen.“
Die beiden kannten die Gepflogenheit dieser Naturmenschen. Sie weigerten sich nicht, von dem starken Branntwein zu nippen, und setzten sich nieder.
„Also aus Hannover sind 'S?“ meinte der Alte. „Da hat der Anton auch ein paar Male sungen. Es hat ihm gar gut dort gefallen; aber er mag nicht wieder hin.“
„Warum nicht?“ fragte Marga.
„Ja, das weiß ich nicht. Es muß ihm dort was nicht gefallen haben; aber er redet nicht davon.“
„Ich habe vorhin gehört, daß er ein Sänger sei.“
„Ja, und ein berühmter!“ nickte der Alte in väterlichem Stolz. „Haben 'S ihn denn nicht dort singen hört?“
„Nein.“
„Das könnt mich fast wundern. Das Theater ist stets zum Verdrücken voll gewest.“
„Ich besinne mich wirklich nicht auf einen Sänger namens Warschauer.“
„Ja, wann 'S nach diesem Namen fragen, so werden 'S freilich schlecht berichtet. Er singt unter seinem Vornamen und nennt sich Anton!“
Da färbte ein tiefes Purpurrot die Wangen Margas.
„Ja, den, den kenne ich“, rief sie aus.
„Nicht wahr!“
„Ja. Ich war bei jeder Vorstellung im Theater und bin Zeugin seiner Erfolge gewesen.“
„So! Das gefreut mich sehr. Nun sind 'S mir noch vielmehr willkommen als vorher. Also gesehen haben 'S den Anton?“
„Sogar mit ihm gesprochen.“
„Wo denn?“
„Auf einer Soiree, zu welcher auch er mit geladen war.“
„So, so! Hat er nix von uns sagt?“
„Ja. Er hat mir von seinen guten Eltern erzählt, und ich freue mich außerordentlich, daß ich Sie kennenlerne und sogar bei Ihnen wohnen kann.“
„Na, wann's so ist, so werden wir halt nur Freud aneinander derleben. Und da denk ich halt, wir wollen machen, daß wir Ihre Sachen herüber bekommen. Wir nehmen den Kahn. Ich bin ein alter Mann, aber Sie können sich mir ruhig anvertrauen. Ein Boot bring ich schon noch ganz gut über den See.“
Früher hätte er das nicht wagen dürfen. Jetzt aber hatte ihn das bessere, sorgenfreie Leben und die gute Kost gestärkt. Er war kräftiger geworden.
Marga war ganz einverstanden, daß er sofort aufbrechen wollte, sagte aber:
„Es ist wohl gar nicht nötig, daß wir mitfahren?“
„Ja, werd ich denn Ihre Sachen bekommen?“
„Gewiß, denn ich gebe Ihnen einige Zeilen an den Wirt mit.“
„So mag's halt sein.“
„Und meine Freundin bleibt auch da, um mir bei der Einrichtung zu helfen.“
„So fahr ich allein. Wann 'S indessen hier was brauchen, so sagen 'S das nur getrost meiner Frauen. Was geschafft werden kann, das werden 'S halt bekommen.“
Er ging, und nun ließ es sich die alte, gute Frau nicht nehmen, den beiden Damen ihr Haus und besonders auch den Gras- und Baumgarten zu zeigen.
Dabei kamen sie auch in die drei Räume des Stockwerks, welches der Krickel-Anton bewohnte, wenn er sich bei den Eltern befand. Das war das Heiligtum seiner Eltern.
„Das ist der Anton“, sagte die Alte, auf sein Bild deutend, welches an der Wand hing.
Marga griff unwillkürlich mit der Hand nach dem Herzen.
Zwei Rosen, eine rote und eine weiße, aber in ganz und gar vertrocknetem Zustand, waren unter dem Bild angebracht. Sie waren durch eine kleine, jetzt unscheinbar gewordene, rotseidene Schleife verbunden gewesen.
„Woher stammen diese Rosen?“ fragte Marga stockend.
„Er hat sie aus dem Hannover schickt. Sie lagen in einem Kästchen und dabei der Zettel, daß wir sie hier unter sein Bild tun
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