72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
nur noch eine kleine halbe Stunde zu warten, und so lange Zeit werden Sie wohl übrig haben.“
„Schwerlich“, sagte Gulijan, indem er ein bedenkliches Gesicht machte.
Salek aber mochte denken, daß es besser sei, scheinbar auf die Absicht des alten Hauptmanns einzugehen; darum sagte er:
„Herr Baron, Ihr Zug geht ja erst um Mittag ab. Sie haben also noch Zeit.“
„Meinen Sie? Hm!“
„Ja. Freilich scheint der Herr Hauptmann nicht ganz zum Polizisten geboren zu sein. Hier wird es uns nicht gelingen, die Kerls zu fangen.“
„Warum nicht?“ fragte der Sepp.
„Weil sie uns sehen können. Sie werden natürlich umkehren, sobald sie uns bemerken.“
„Ja, wenn Sie sich so groß und breit herstellen wie jetzt! Setzen Sie sich doch!“
„Auch das ist noch nicht ausreichend. Wir dürfen gar nicht hier bleiben.“
„Warum denn nicht?“
„Eben weil sie uns gar nicht sehen sollen. Wir müssen das Häuschen verlassen und uns draußen hinter die Bäume stellen. Da verteilen wir uns so, daß sie uns auf keinen Fall entgehen können.“
Der Alte durchschaute Saleks Absicht. Den beiden war es natürlich nur darum zu tun, ihm auf gute Weise aus den Augen zu kommen. Darum antwortete er kopfschüttelnd:
„Nein, ich weiß etwas noch viel besseres. Wenn wir uns da draußen hinstellen, können wir sie doch nicht belauschen. Wir hören gar nicht, was sie reden, und gerade das ist's ja, was ich wissen möchte.“
„Nun“, lachte Salek, „wenn wir hier sitzen bleiben, ist von einem Belauschen auch keine Rede.“
„Sehr richtig. Aber wer sagt denn, daß wir sitzen bleiben wollen? Ich doch nicht!“
„Wohin wollen Sie denn?“
„Wissen Sie, wir stecken uns dahin, wo gestern der Graf gesteckt hat. Da ist alles zu hören.“
„Wo wäre das?“
„Da hinein.“
Er deutete auf die Tür.
Das ging den beiden über die Selbstbeherrschung. Sie standen offenen Mundes da und starrten ihn an.
„Ja“, lachte er. „Das Versteck ist ausgezeichnet.“
„Da, da drin ist der Graf gewesen?“ stammelte Salek.
„Ja“, nickte Sepp.
„Es ist doch zu!“
„O nein. Der Graf ist so klug gewesen, die Tür von innen zuzuhalten, so daß die Spitzbuben denken mußten, daß sie verschlossen sei.“
„Himmeldonnerwetter!“ fluchte Salek.
„Da schlag der Teufel drein!“ stieß Gulijan hervor.
„Nicht wahr, das ist prächtig?“ fuhr der Alte fröhlich fort. „Da können uns die Kerls nicht sehen, wenn sie kommen, und wir hören jedes Wort.“
„Meinetwegen!“ rief der Baron jetzt grob. „Ich habe keine Lust, mich wegen eines Spitzbuben zu verkriechen. Machen Sie Ihre Sache allein ab!“
Salek folgte sofort diesem unfreundlichen Beispiel, indem auch er erklärte:
„Der Herr Baron hat recht. Uns geht diese Sache ja gar nichts an. Entschuldigen Sie, Herr Hauptmann!“
Er drehte sich zum Gehen um, aber der Alte trat ihm in den Weg und sagte, noch immer freundlich:
„Wie meinen Sie? Die Sache geht Sie nichts an?“
„So meine ich allerdings.“
„Aber da irren Sie sich gewaltig!“
„Inwiefern?“
„Es liegt ganz außerordentlich in Ihrem eigenen Interesse, daß die wirklichen Täter entdeckt werden.“
„O bitte! Unser Interesse hat wohl ganz und gar nichts mit dieser Angelegenheit zu tun!“
„Ich behaupte das Gegenteil und werde es Ihnen beweisen.“
„So gestehe ich Ihnen, daß ich auf diesen Beweis außerordentlich neugierig bin.“
„Sie sollen ihn sofort haben, indem ich Ihnen, natürlich unter allem Vorbehalt, mitteile, daß der Verdacht auf Sie gefallen ist.“
Das Gesicht Saleks wurde starr und leichenblaß.
„Auf mich?“ stotterte er.
„Jawohl, auf Sie beide.“
„Was, auch auf mich?“ rief der Baron. „Sind Sie vielleicht verrückt?“
„O nein. Zunächst hat mir der Graf den einen Spitzbuben so genau beschrieben, daß ich mich gar nicht irren kann. Es passen alle, selbst die kleinsten Angaben, ganz genau auf Sie.“
„Alle Teufel! Mir das! Dem Baron von Wellmer! Ich werde Sie zur Rechenschaft ziehen!“
„Sehr wohl. Ich bin bereit, Ihnen Satisfaktion zu geben, falls Sie wirklich derjenige sind, für den Sie sich ausgeben.“
„Wer sollte ich sonst sein?“
„Graf Senftenberg behauptet, daß Sie nicht Wellmer, sondern Gulijan heißen.“
„Der weiß den Teufel!“
Der Baron gab sich den Anschein eines zornigen Stolzes, innerlich aber war ihm keineswegs sehr wohl zumute.
„Oh, er weiß sogar noch viel mehr. Er hat zum Beispiel gesagt, daß die Stimme
Weitere Kostenlose Bücher