72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
weißt es selbst nicht.“
„Nein, ist auch nicht nötig. Du bist der eigentliche Hahn im Korb, während ich nur die aushelfende Kraft bin. Also hast du nachzudenken, nicht aber ich.“
„Ja, ja, wohin?“
„Willst du sie am nächsten Morgen dem Juden wiederbringen?“
„Um keinen Preis.“
„Nun, so gibt es nur zwei Fragen: Willst du sie laufen lassen, oder willst du sie heiraten?“
Johannes erglühte über und über.
„Max!“ rief er aus.
„Pfui! Ich glaube gar, du willst dich schämen! Dafür könnte ich dir meinen Knotenstock verehren, aber nur für kurze Pausen, und zwar über den Rücken! Wie alt bist du?“
„Zwanzig.“
„Und schämst dich, wenn vom Heiraten die Rede ist?“
„Max, hast du zu dieser Zeit daran gedacht?“
„Ich habe schon viel früher davon gesprochen.“
„Unmöglich!“
„Ich habe schon als Schulbube gelesen: Und er ging in ein anderes Land und nahm sich ein Weib. Ist das nicht geheiratet?“
„Du wirst frivol!“
„Vielleicht! Wird aber kein großer Fehler sein. Also entscheide dich! Willst du sie heiraten?“
Es war ein eigentümlicher Zug, welcher jetzt über Johannes' Gesicht glitt. Trotz, Scham und Entschlossenheit stritten miteinander um die Oberhand. Aber er antwortete nicht.
„Freundchen“, meinte Max, „ich will dir etwas mitteilen, etwas ganz Nagelneues.“
„Das wird nicht viel Kluges sein.“
„O doch. Willst du es hören?“
„Ja. Wenn ich mich weigere, bekomme ich es dennoch zu hören. Ich kenne dich ja.“
„Schön! Neige dein Ohr zu mir. Ich will es dir leise sagen. Es ist Geheimnis.“
Johannes hielt ihm in seiner Treuherzigkeit das Ohr hin, und Max rief ihm hinein:
„Du bist – verliebt!“
„Max!“
„Was du nur mit meinem Namen hast! Stets, wenn du nichts anderes zu sagen weißt, muß er herhalten. Weißt du nichts Besseres?“
„Du – du bist – bist –“
„Stotter nicht, alter Schwede! Ich habe dir die reine Wahrheit gesagt. Du bist dieser Anita herzlich gut. Sie hat es dir angetan.“
„Störe nicht dieses Heiligtum!“
„Ah, ein Heiligtum ist es sogar! Schön, das ist ein offeneres Geständnis, als ich erwarten konnte. Also steht es nun fest, daß du sie heiratest.“
„Max, laß das! Wenn du so fortfährst, so stehe ich auf und gehe fort!“
„Du bleibst ganz ruhig sitzen. Du wirst dich hüten, fortzugehen und mich allein zu lassen. Wer würde dir dann helfen, dein ‚Heiligtum‘ aus dem Haus des Juden herauszuschleppen!“
„Ja, du hast mich leider fest wie immer. Ich bin ein unbeholfener Mensch, der noch immer einen Beschützer nötig hat.“
„Edle Selbsterkenntnis! Darum breite ich stets meine Flügel über dir und lasse deinen Schnabel nicht unter meinem Schirm hervorpiepen. Und das will ich auch heute abend tun. Weißt du, wir wollen uns die Köpfe nicht zerbrechen darüber, was mit unserem schönen Schützling geschehen soll. Die Stunde wird es lehren. Noch wissen wir ja gar nicht, welche Pläne und Absichten Anita selbst hat. Wir müssen also vor allen Dingen mit ihr reden.“
„Aber zunächst müssen wir doch ein sofortiges Obdach für sie haben, wohin wir sie aus dem Hause ihres Peinigers führen.“
„Natürlich. Könnten wir sie denn nicht für eine Nacht mit nach unseren Gasthof nehmen?“
„Das ginge an.“
„Ich träte ihr mein Zimmer ab, und wir beide, du und ich, schliefen zusammen.“
„Ganz recht. Aber am Morgen würde die Bedienung den Braten riechen.“
„So reisen wir ab.“
„Und nehmen sie mit?“
„Wenn es notwendig ist, ja.“
„Hm, bist du noch gut bei Kasse?“
„Ausgezeichnet. Ich habe noch über tausend Franken.“
„Ich ebensoviel. Weißt du, wir sind sehr sparsam gewesen. Wenn Anita niemanden hat, auf den sie sich verlassen kann, so nehmen wir sie als Waisentochter an und handeln als brave Eltern an ihr. Nicht?“
„Scherz beiseite! Ich mache mit.“
„Ich auch. Eine kleine Ausgabe können wir uns erlauben. In Wien liegt neues Geld für uns. Was wollen wir mehr. Du, schau dir doch einmal die beiden Kerls an! Sind das nicht die reinen Banditen?“
Es waren nämlich zwei männliche Gäste in den Garten getreten, welche sich in demselben umschauten. Auch sie trugen den Künstlerhabitus, Samtröcke und ungeheuer breitkrempige Kalabreserhüte. Aber ihre Wäsche war unsauber, und sie sahen überhaupt nicht salonfähig aus.
Der eine war alt, eine lange, hagere Gestalt mit abgelebtem Gesicht, eingefallenen Wangen und entsetzlicher
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