73 - Der Dukatenhof
beizeiten, und lauf nicht wieder fort, wenn's anfängt, dich zu gruseln!“
Er verließ die Stube und ging nach dem Hof, wo er den Brunnenraum öffnete und dann von innen wieder sorgfältig verschloß. Dabei sprach er mit sich selbst:
„Welch ein Glück, daß er nicht zu schweigen versteht! Hätte er im stillen die Anzeige gemacht, so wäre ich in eine saubere Tinte geraten! Mut hat er, das ist wahr, aber die Klugheit fehlt ihm dabei. Jetzt droht mir von ihm mehr Gefahr als vom Bachfrieder. Er kennt den Stein und das Geheimnis, und ich muß ihn zur Verschwiegenheit bringen. Das Blenden hilft nichts, entweder stirbt er oder – ja, oder er muß zur Gesellschaft übertreten. Das ist die einzige Wahl, die ich ihm lasse. Zu hart ist's nicht für ihn, denn was hat er gesagt von der Martha? Er bekäme zehn andere an ihrer Stelle? Gut, er wird noch alle Finger nach ihr lecken und sie dennoch nicht erhalten. Sie war nur die Lockspeise und soll mir noch weit höher hinaus helfen. Heute halte ich Abrechnung mit ihm wegen des Esels, den er mir ins Gesicht geworfen hat. Es soll ihm wohl bekommen!“
Die Haspel, außer welcher nicht der kleinste Gegenstand in der Brunnenstube zu bemerken war, trug zwei Eimer, welche so an dem Seil befestigt waren, daß je einer von ihnen niederfuhr, wenn der andere in die Höhe ging. Der Feldbauer bestieg den oberen und ließ sich langsam hinab, indem er das den unteren tragende Seilende durch die Hände gleiten ließ. –
Der Feldwebel war in seiner ungewöhnlichen Aufregung zurückgeblieben. Er hatte keine Ahnung davon, daß er ein Spielball in der Hand dessen war, den er fangen wollte. Der Rat des Feldbauern schien ihm der beste, und er befolgte ihn um so genauer, als ihm sehr viel daran lag, seinen Mut zu beweisen.
Er konnte das Hereinbrechen des Abends kaum erwarten und machte sich, sobald es zu dunkeln begann, auf den Weg. Die Vorsicht, welche er anzuwenden hatte, ließ ihn nur langsam vorwärts kommen; doch erreichte er die verschüttete Mündung des Stollens noch vor dem neunten Glockenschlag. Er fand auch bald die alte Birke; es war die einzige, welche an dieser Stelle stand, und er bückte sich nieder, um nach dem angegebenen Loch zu forschen.
In diesem Augenblick aber erhielt er einen Schlag auf den Kopf, der ihn sofort zu Boden streckte; eine Schlinge legte sich um seinen Hals; Hände und Füße wurden ihm zusammengebunden – er hatte das Bewußtsein verloren.
Als er erwachte, war es vollständig dunkel um ihn her, und es vergingen einige Minuten, ehe er sich auf das Geschehene besinnen konnte. Mit der Erinnerung kam ein fürchterlicher Grimm über ihn; er zerrte mit aller ihm zu Gebote stehenden Gewalt an den Fesseln, und als er diese Anstrengung fruchtlos fand, begann er laut zu rufen.
Seine Stimme mußte gehört worden sein, denn es dauerte nicht lange, so vernahm er das Rasseln eines Schlosses; eine Tür wurde geöffnet, und heller Lichtschein fiel auf das faulende Stroh, welches sein Lager bildete. Er befand sich in der Gefängnishöhlung, welche Frieder jüngst bemerkt hatte.
Draußen standen zwei tief verhüllte Männer; der eine von ihnen trug eine Laterne; der andere trat näher und löste den Strick, welcher die Füße des Gefangenen zusammenhielt.
„Vorwärts!“ gebot er mit einem derben Tritte seiner schwerledernen Stiefel gegen des Feldwebels Beine, indem er ihn zugleich beim Kragen packte und in die Höhe zog. Dann stieß er ihn in den Gang und schob ihn vor sich her bis in die Erweiterung des Stollens, wo die Hängelampe unter einem dämpfenden Schirm hervor ein zweifelhaftes Licht verbreitete und eine bedeutende Anzahl finsterer Gestalten, wohlbewaffnet und mit der Maske versehen, rund auf den Bänken Platz genommen hatte. Einer von ihnen erhob sich und fragte:
„Feldwebel, weißt du, wo du bist?“
Seine Stimme klang dumpf unter der Maske hervor, so daß wohl jede Silbe zu vernehmen, an ein Wiedererkennen aber nicht zu denken war.
„Ja. Im Stollen bin ich, in der Räuberhöhle, hinterrücks überfallen und hereingeschafft. Aber das soll euch nicht gut bekommen; ich werde euch alle zusammen an den Galgen bringen oder aufs Schafott!“ drohte er.
Ein durch die Larven gedämpftes, allgemeines Gelächter war die Antwort.
„Spare das Drohen und Aufschneiden“, meinte der vorige Sprecher. „Du bist nicht in der rechten Lage dazu. Du stehst vor Gericht und sollst das Urteil haben für die Mühe, die du dir mit uns gibst.“
„Vor Gericht? Ich
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