73 - Der Dukatenhof
mit der Mutter hier, und ich – Martha, ich risse ihm jedes Glied stückweise vom Leib herunter! Komm herauf; ich kann dich keine Minute länger hier unten sehen.“
Die Fahrt war noch fast neu. Der Waldkönig hatte sie jedenfalls unlängst erst angefertigt, und man konnte sich ihr unbesorgt anvertrauen. Die Furcht vor dem Messer des Vaters hatte Martha die Kraft gegeben, den gefährlichen Weg zurückzulegen; jetzt stärkte sie das Vertrauen auf die Nähe des Geliebten. Von ihm unterstützt, gelangte sie hinauf in den Stollen. Er ließ sie hier auf kurze Zeit allein und kehrte zur Mutter zurück. Was der Feldbauer vermocht hatte, mußte auch ihm gelingen; er brachte die Besinnungslose wohlbehalten empor. Sie schlug für einen kurzen Augenblick die Augen auf; ihr Blick fiel auf zwei geliebte Gesichter; ein müdes Lächeln ging über ihre bleichen Züge; dann schloß sie die Augen wieder. Frieder zog seine Jacke aus und legte sie ihr unter den Kopf.
„Wir dürfen sie nicht allein lassen; das Loch ist in der Nähe. Getraust dich, ein paar Minuten hier im Finstern zu sein, bis ich wiederkehre, Martha?“ fragte er.
„Es ist so schaurig hier unter der Erde, Frieder. Mußt denn fort?“
„Ja. Ich muß den Buschwebel suchen.“
„So denkst, auch der ist hier?“
„Ja, wenn er noch lebt. Ich gehe in die Höhle, von der ich dir und den Eltern erzählt habe. Hier hast Zündholz und Harzäpfel; sie reichen wohl, bis ich wiederkehre.“
„Frieder, geh' nicht fort! Ich habe so Angst, daß dir was Böses begegnet.“
„Sei ohne Sorge! Ich bin heute ganz sicher.“
Er hob die Fahrt wieder aus und legte sie an dieselbe Stelle, wo er sie gefunden hatte; dann folgte er dem Stollen. Dabei beeilte er sich so viel wie möglich, um die Geliebte nicht lange in Ungewißheit zu lassen. Auf der ganzen Strecke fand er nichts Bemerkenswertes; an der Mauer angekommen, schob er einen Riegel zurück; sie folgte einem Druck, und er schlich sich jetzt an die wohlverschlossene Tür des Gefängnisraums. Eine Kette klirrte im Innern. Er durfte den Gefangenen nicht befreien, weil dessen Abwesenheit den Verdacht der Schmuggler erregen konnte, und ebensowenig wollte er mit ihm sprechen, bevor alle Maßregeln zur Ergreifung der Verbrecher getroffen waren. Eine Unvorsichtigkeit des Feldwebels konnte alles vereiteln. Aber wissen mußte er doch, wer der Gefangene sei. Er führte einen einzigen raschen Schlag gegen die Tür.
„Wer ist draußen? Macht auf! Ich hab's ja tausendmal gerufen und gebrüllt, daß ich den Spion machen will, wenn ihr mich nicht hängt!“ rief es von innen.
Frieder hatte genug gehört. Es war die Stimme des Feldwebels, und seine Worte enthielten eine kurze, aber deutliche Beschreibung dessen, was er während seiner Gefangenschaft erfahren hatte. Er kehrte in den Vorratsraum zurück, schob den Riegel vor und eilte zu Martha. Diese empfing ihn mit den Worten:
„Wie lange bist fortgeblieben, Frieder! Ich habe viel Furcht gehabt; das Licht hat nicht gelangt, und die Mutter ist wie tot. Ach Gott, was wird noch alles geschehen?“
„Habe guten Mut, Martha! Schau, hier ist der Fahrstuhl. Zusammen können wir nicht empor; hernieder ist's leichter gewesen. Die Mutter muß zuerst hinauf. Willst warten?“
„Ja.“
Er legte die Bäuerin in den Stuhl, stieg selbst hinein und zog an. Oben angelangt, bettete er die Besinnungslose auf das weiche Heu und kehrte zurück, um auch Martha heraufzubringen. Trotz seiner Stärke fühlte er sich von der Arbeit und der Aufregung ermüdet. Er mußte ausruhen, ehe er daran ging, das Innere der Scheune in Ordnung zu bringen. Als dies geschehen war, öffnete er den Laden und half dem Mädchen hinaus. Dann reichte er ihr die Mutter zu, deren bewußtloser Zustand alles ungemein erschwerte, und folgte dann selbst nach.
„Gott sei Dank; jetzt erst ist's glücklich vorüber. Komm nach dem Bachhof, Martha!“
„Soll ich nicht nach Hause, Frieder?“
„Nie wieder und heute erst ganz und gar nicht! Der Bauer muß denken, ihr seid noch immer im Schacht, und damit er die Befreiung nicht erfährt, darf euch kein Mensch sehen, bis alles zu Ende gegangen ist.“ Frieder hob die Feldbäuerin empor, nahm sie in die Arme wie ein Kind und stieg, gefolgt von der Geliebten, mit ihr den Berg hinab. Glücklich und ungesehen in der Nähe des Bachhofes angelangt, blieb er stehen, um für einen Augenblick zu verschnaufen; da tauchte eine in einen Mantel gehüllte Gestalt vor ihm auf; der Hahn einer
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