73 - Der Dukatenhof
Pistole knackte, und eine befehlende Stimme gebot:
„Halt, steht! Wer seid Ihr?“
Frieder erkannte den Leutnant, welcher eine ganz besondere Veranlassung haben mußte, hier so nahe am Dorf und in eigener Person Patrouillendienst zu verrichten.
„Der Bachbauer, Herr Leutnant. Haben Sie ein wenig Zeit?“
„Vielleicht. Warum?“
„Bitte, kommen Sie mit herein in den Hof. Ich habe Ihnen Wichtiges mitzuteilen!“
„So! Wer ist das Frauenzimmer, und wen haben Sie hier auf dem Arm?“
„Das werden Sie drin erfahren; hier ist nicht der Ort dazu.“
„So gehen Sie voran; ich werde folgen!“
Die Bachbäuerin schlug vor Verwunderung die Hände über dem Kopf zusammen, als sie die Kommenden bemerkte.
„Du lieber Herrgott, Frieder, wen bringst denn da?“
„Die Martha mit ihrer Mutter, die ganz von Besinnung ist. Tu sie schnell ins Bett, und schicke den Knecht mit dem Wagen in die Stadt zum Doktor! Aber niemand, als er und wir, darf wissen, daß sie und der Leutnant hier sind.“
Seinem Gebot wurde sofort Folge geleistet. Der Knecht fuhr schleunigst nach der Stadt, nichts anders glaubend, als der Bachbauer sei plötzlich unwohl geworden; die Kranke wurde in weiche Federn gebettet, und Martha ließ es sich nicht nehmen, bei ihr zu bleiben. Die anderen aber sahen mit Ungeduld den Aufklärungen entgegen, welche sie von Frieder zu erwarten hatten. – – –
Die Feldbäuerin war erwacht; der Arzt hatte erklärt, ihr Schwächezustand sei eine Folge langer, innerer Seelenleiden, aufs höchste gesteigert durch den heute über sie hereingebrochenen Jammer. Er hatte die größte Ruhe und Schonung befohlen, vor jeder Aufregung gewarnt und stärkende Arzneien verschrieben. Jetzt lag sie da, glücklich lächelnd über die reiche Liebe, die ihr aus vielen Augen entgegenstrahlte. Sie war hart an der Grenze des Lebens hingestreift, hatte das Rauschen des Todes vernommen und fühlte ihre Seele von der früheren Schwäche befreit.
„Frieder!“ lispelte sie.
Er neigte sich zu ihr nieder.
„Ist er wieder da?“
„Nein“, antwortete er.
„Ich gebe ihn in deine Hand. Das Gesetz hat größeres Recht auf ihn als ich. Doch sprich nicht mehr von ihm!“
Er neigte zustimmend das Haupt und kehrte in die Stube zurück, wo der Leutnant beim Vater saß. Beide schienen sich schnell zusammengefunden zu haben; der Offizier hatte sich eine Pfeife angesteckt und qualmte dem Blinden ins Gesicht, daß es paffte; dieser schien sich dieser Intimität höchlich zu freuen und überhaupt in einer Stimmung zu sein, wie man sie seit langer Zeit nicht an ihm bemerkt hatte.
„Ist die Stube für die Martha in Ordnung, Frieder?“ fragte er.
„Ja, zwei; eine für sie und eine für ihre Mutter.“
„Sorge nur, daß ihnen nichts fehlt! Hat auch der Herr Leutnant noch Tabak und gehörig zu trinken?“
„Es ist für alles aufs beste gesorgt“, antwortete dieser selbst.
„Der Knecht gibt doch tüchtig Hafer, daß die Braunen gut aushalten?“
„Ich freue mich auf den Ritt“, versicherte der Offizier. „Er bringt mich mit einem Mal zum Ziele, wo ich geglaubt hatte, noch monatelang im Dunkeln tappen zu müssen. Der Feldwebel hat die Schwierigkeiten nur erhöht und vermehrt, anstatt mir von Nutzen zu sein. Ihnen zum Beispiel“, wandte er sich zu Frieder, „muß ich gestehen, daß eine Art Verdacht gegen Sie gehegt wurde. Sie waren maskiert und bewaffnet im Wald gesehen worden und heute wieder zu Pferde dort gewesen, wo jeder andere es sich angelegen sein ließ, daheim zu bleiben.“
„Grad darum war der Verdacht doch eigentlich ausgeschlossen. Wer sich unsicher fühlte, blieb daheim; wer ein gutes Gewissen hatte, konnte sich sehen lassen. Doch da hängt der Knecht die Laterne heraus; das ist das Zeichen, daß gesattelt ist.“
„Er wird doch nicht aufpassen, wer mit aufsitzt?“ fragte der Blinde. „Meine Leute sind gut und treu; aber besser ist besser, und vor Austrag der Sache darf niemand erfahren, was heute im Bachhof vorgegangen ist.“
„Laß mich sorgen, Vater! Der Herr Leutnant geht durch die Pforte voran und steigt erst auf der Straße zu Pferde. Ist's gefällig?“
Der Genannte legte die Pfeife weg und nahm Abschied. Er gewann unbemerkt die Straße und hörte bald Frieder hinter sich hergetrabt kommen. Als dieser ihn erreichte, schwang er sich auf. Es war längst Mitternacht vorüber; die Erde lag in tiefer Ruhe, und nur hier und da funkelte ein einsames Licht vom dunklen Himmel herab.
„Wissen Sie, daß ich
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