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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hier beim Tannenhof auch, und vielleicht noch lieber, als in dem Haus, wo sie singen und beten und doch nichts vom rechten Frommsein wissen.“
    Der Bauer legte ihm die Hand auf die Schulter und sah ihm tief in die Augen.
    „Armer Bub! Hast du auch schon von dem Gift trinken müssen, das schlimmer ist, als Schlangensaft? Höre, Gustav, wollen hier bei uns recht lieb und gut mitnander sein, dann brauchen uns die anderen nichts zu kümmern!“
    Der Blick des Jünglings drang durch die rasch aufsteigende Feuchtigkeit mit dem Ausdruck der herzlichsten Liebe zu ihm herüber.
    „Oheim, du weißt, wie hoch dich alle hier im Haus halten, darum sollst du dich nicht immer so einsam stellen, sondern mehr bei uns sein, als in deinem alten Turm, an den der Heinemann das Teufelsbild gezeichnet hat!“
    „Der Wiesenbauer ist's gewesen? Ich habe mir's wohl gedacht! Woher hast du es erfahren?“
    „Von der Magd, die hat es heute daheim gehört. Soll ich das Bild vielleicht mit Lehm überstreichen?“
    „Nein, laß es stehen! Ich habe vorhin den Streit dem besten Anwalt übergeben, und der wird sicher dafür sorgen, daß gerade derjenige, der mir den Schimpf hingemalt hat, ihn selber wegtut.“
    Er trat in das Haus. Schon im Flur desselben drehte er sich noch einmal zurück.
    „Es wird wohl heute noch ein Gewitter geben. Hast du vielleicht noch Garben auf dem Feld?“
    „Ja. Aber die Wagen sind schon vorgezogen, und sobald die Kirche aus ist, hole ich, was noch draußen liegt!“
    „Gut, ich konnte mir's denken, daß ich dir so was nicht erst zu sagen brauche!“
    Ohne in eine der Stuben zu treten, schritt er durch den Flur und Hof hinaus nach dem Garten. Dieser wurde von einer hohen, massiven Steinmauer eingefaßt und stieß mit seinem hinteren Ende an eine alte, halbverwitterte Turmruine. Sie war jedenfalls das letzte Überbleibsel eines längst zerfallenen, mittelalterlichen Bauwerks und hatte, soweit man nur zurückzudenken vermochte, stets den sich zur Ruhe setzenden Tannenbauern als Auszüglerwohnung gedient. Es ging von ihr die Sage, daß hier ein Ritter gehaust habe, der seine Seele dem Teufel verschrieben hatte und von diesem auch geholt worden sei. Seit dieser Zeit litt es niemanden in dem zusammengebröckelten Gemäuer, und der Ort wurde von jedermann geflohen, bis der erste Haubold kam, den Hof erbaute und die Ruine mit in den Bereich des Gartens zog. Da er sich vor dem Spuk nicht fürchtete, so schrieb man ihm geheime Künste zu, welche sich auch auf seine Nachkommen vererbten. Diese hatten es stets verstanden, sich bei den Bewohnern der Umgegend in Respekt zu setzen; sie waren immer kluge Leute gewesen und hatten gar manches zustande gebracht, wozu anderen der Mut oder die Kenntnisse und das Geschick gefehlt hatten. Wenn niemand Obst erbaute, auf dem Tannenhof mußten die Bäume gestützt werden. Wenn rund umher die Saatfelder versagten oder die Kartoffeln nicht geraten wollten, die Tannenbauern hatten in ihren umfangreichen Räumen kaum Platz genug für die Fülle des Erntesegens. In ihren Ställen standen die glattesten Pferde und die drallsten Rinder. Kam ein Fruchthändler oder Fleischer in das Dorf, er ging immer zuerst nach dem Tannenhof; dort floß das Geld freiwillig ein, während selbst die Wohlhabenden im Dorf leicht über Mangel klagten. Wenn irgendwer aus Not ein Stück Land verkaufen mußte, stets waren die Tannenbauern da, um es zu erwerben; ihr Besitztum wuchs und verbesserte sich von Jahr zu Jahr, und da man sich nicht entschließen konnte, durch die Anerkennung fremder Vorzüge die eigenen Fehler in das Licht zu stellen, so griff man zu der alten Sage zurück und schrieb den Wohlstand aus dem Tannenhof jenen Künsten zu, von denen der Aberglaube erzählt, daß sie unter Aufopferung des Seelenheils zum Reichtum führen.
    Die Haubolde hatten immer darüber gelächelt; ja, es waren einige unter ihnen gewesen, welche sich das Vergnügen gemacht hatten, die Befangenen durch allerhand Sonderlichkeiten in ihrer Ansicht zu bestärken. Sie ließen dabei unbedacht, daß sie dadurch sich selbst und den Ihrigen zu Schaden seien, eine Unvorsichtigkeit, unter welcher ganz besonders der jetzige Bauer zu leiden hatte.
    Er mochte daran denken, als er jetzt in den Garten ging und dann vor der Ruine stehen blieb, um den Blick langsam über dieselbe gleiten zu lassen. In ihrem Innern sollten seine Vorfahren den Pakt mit dem Teufel geschlossen haben; durch die Esse, welche das Mauerwerk um einige Fuß überragte,

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