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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Gaststube hinein.
    Da saßen drei Männer, welche des Betrachtens in psychologischer Beziehung wohl wert waren. Der erstere war der Wirt, eine untersetzte, behäbige Gestalt, deren Gesichtszüge einen nicht üblen Eindruck gemacht hätten, wenn sie nicht durch den Ausdruck der List und Verschlagenheit sozusagen verunziert worden wären. Er qualmte aus einer Meerschaumpfeife mit einem mächtigen Kopf. Der zweite war ein kleines, dürftiges Männchen mit einem abstoßenden Sperbergesicht und einem blauglasigen Zwicker auf der Nase. Der dritte, von breit und hoch gebauter, beinahe hünenhafter Figur, hatte einen großen eckigen Kopf mit einem Gesicht, als wäre es mit dem Beil aus Holz roh zugehackt worden.
    Als dieser letztere den Ankommenden bemerkte, schlug er ein widerwärtiges, schallendes Gelächter auf und rief:
    „Alle Teufel, was ist denn das für eine armselige Kreatur, welche es da wagt, sich uns vor die Augen zu schieben? So etwas habe ich, bei meiner Seele, noch niemals gesehen!“
    „Ja“, meinte der Kleine, „solche Geschöpfe sollten von der Polizei angehalten werden, anderen Leuten fern zu bleiben!“
    „Laßt's gut sein, ihr Herren!“ sagte der Wirt in beschwichtigendem Ton. „Es ist der Köpfle-Franz, ein gar nicht schiefer Kerl.“
    Der Unglückliche hatte diese Worte über sich ergehen lassen, ohne mit der Wimper zu zucken. Jetzt fragte der Lange:
    „Ein wunderbarer Name! Wie kommt der Mensch dazu?“
    „Er hat ihn wegen einer Geschicklichkeit, welche er besitzt“, antwortete der Wirt. „Der Franz ist ein Zeichner, der sich sehen lassen darf. Wenn man vor ihm steht, und er nimmt den Stift in die Hand, so ist er halt der wahre Künstler. Keiner bringt die Köpfe so sauber, so gut und so richtig, wie er. Er zeichnet nichts als Köpfe, und wenn er einen abmalt, so ist man getroffen grad wie man leibt und lebt. Darum heißt er ja eben der Köpfle-Franz.“
    „Das machst du mir nicht weis! Wenn er das fertigbrächte, so stände es besser mit ihm.“
    „Sie glauben's nicht? So werde ich's Ihnen beweisen. Franz, willst du mich abzeichnen, so wie ich jetzt hier sitze, mit der Tabakspfeife im Mund? Du sollst ein gutes Bier bekommen und noch fünf Groschen extra darauf.“
    „Warum denn nicht? Das Bier soll mir recht sein, denn ich habe grad den richtigen Durst, und das Geld ist alleweil am notwendigsten zu brauchen. Bleib sitzen, ich werde gleich fertig sein!“ antwortete der Krüppel.
    Er schob sich an den nächsten Stuhl, nahm den Sack vom Rücken, öffnete ihn und zog eine sorgfältig eingewickelte Papierrolle hervor. Sie enthielt sein Zeichenmaterial. Der Wirt richtete sich erwartungsvoll in Positur, brachte die neue Meerschaumpfeife in das gehörige Licht, und kaum waren einige Minuten vergangen, so hielt er die fertige Bleistiftskizze in der Hand.
    „Franz“, rief er befriedigt, „so gut wie heute hast du mich noch niemals getroffen! Hier sind die fünf Groschen, und von wegen dem Bier, da sollst du zwei Seidel haben statt nur eins!“
    „Zeig her, Bergwirt“, meinte der Kleine. „Wenn er heute wirklich so eine gute Hand hat, so soll er mich auch abkonterfeien. Wahrhaftig, besser bringt's der größte Künstler nicht zuwege! Guck' her, Baron! Franz, willst du meinen Kopf auch zeichnen?“
    „Meinetwegen, wenn's dem Herrn Bankier recht ist! Habe grad noch zwei Papiere, für Sie und den Herrn Baron eins!“
    „Gut“, entschied dieser. „Ich sehe, daß du kein dummer Kerl bist. Sollst mich also auch mal zeichnen, und wenn ich mit dir zufrieden bin, so bekommst du einen Taler.“
    Er hatte erwartet, daß dieses Gebot den armen Teufel in Staunen versetzen werde; dieser aber nahm mit der gleichgültigsten Miene den Bleistift wieder zur Hand und führte denselben mit einer Sicherheit über die Blätter, als handle es sich um die allereinfachste Strichübung. Als die Köpfe ihre vollständige Schattierung erhalten hatten, übergab er sie den beiden Männern.
    „So! Die Gesichter sind getroffen“, sagte er. „Wenn man solche Herren zu Papier bringt, muß man sich schon besser Mühe geben, als bei gewöhnlichen Leuten.“
    Die Arbeit war sehr gut gelungen; der Baron gab ihm den versprochenen Taler, und auch der ‚Bankier‘ entschloß sich zu einem gleichen Honorar.
    „Kannst's immer nehmen, Franz“, ermunterte er; „wir sind ja Leute, die es haben! Nicht wahr, Bergwirt?“
    Der Gefragte nickte zustimmend und klopfte dabei mit einem verschmitzten Lächeln an seine eigene

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