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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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die Seele zermalmt wie ein Gebirge, das auf ihr liegt. Ich weiß, es ist schier unmöglich, was ich verlange, aber du bist bei all meiner Schlechtigkeit mir nimmer feindselig gewesen, und du hast vielleicht auch jetzt Erbarmen!“
    „Denkst du wirklich, daß ich zu all der früheren Überwindung auch noch das fertig bringe? Sollst dich nicht täuschen, Andres! Hier ist die Hand und auch die andere noch. Ich habe unsere Sache Gott überlassen, und der hat dir das Herz gelenkt. Es soll alles vergeben und vergessen sein!“
    „Hab Dank, Friedemann! Ich weiß noch ganz genau, was ich beim Feuer zu dir gesagt habe: ‚Wir sind noch nimmer quitt; ein Mord wiegt schwerer als die paar Blasen, die der Gustav auf die Haut bekommen hat!‘ Jetzt aber ist es anders. Er hat nicht bloß der Frau, sondern auch mir das Leben erhalten und liegt nun selber auf den Tod darnieder, weil er beim Aufsteigen in der Spalte die Brandwunden strapaziert hat. Das hebt den Tod vom Bruder auf. Wir sind jetzt quitt!“
    Haubold schob die gefaßten Hände des Sprechers mit einer hastigen Bewegung zurück.
    „So glaubst du auch jetzt noch, daß ich es war, der ihn hinabgestürzt hat?“ fragte er.
    „Es kann doch gar nicht anders sein, Friedemann! Aber laß dich's nicht verdrießen; ich werde nimmer wieder davon sprechen!“
    „Aber ich weiß ja wirklich nichts davon. Ich bin so unschuldig daran, gerade wie die liebe Sonne am Himmel! Die Martha hat mich lieb gehabt und ihn nicht leiden mögen; er ist mir nachgefolgt auf Schritt und Tritt, um mir etwas anzutun; ich aber habe ihn gemieden und bin an jenem Abend gar nicht mit zur Kanzel hinaufgestiegen. Der Vater hat es nicht gewollt, daß ich die Martha nehmen sollte, und mich damals mit ihr getroffen. Ich mußte mit ihm nach Hause, und sie ist dann allein geblieben. Da drin in der Stube hat sie gewohnt, und da drin hat sie am anderen Morgen gestanden und zu mir gesagt, daß sie gehe und niemals wiederkommen werde. Ich habe gebeten und gefleht, aber es hat nichts geholfen. Sie ist so verstört gewesen; ich habe gedacht von wegen dem Vater, aber als ich nachher hörte, was mit deinem Bruder geschehen ist, so habe ich gleich gewußt, daß zwischen ihnen irgend etwas vorgefallen sein muß.“
    „Und das soll wahr sein, Friedemann?“
    „Ja, es ist so, Wort für Wort!“
    Diese Beteuerung kam nicht aus dem Mund Haubolds. Die beiden Männer blickten erstaunt nach der Ecke, in welche sich Marie zurückgezogen hatte. Sie war die Sprecherin gewesen.
    „Wie kommst du zu dieser Rede?“ fragte der Tannenbauer. „An dich war damals noch nicht zu denken!“
    „Und doch war ich dabei und weiß ganz genau, wie's hergegangen ist. Ich hab's bisher nicht über mich vermocht, aber weil ihr in dieser Weise zusammen seid, so will ich sprechen!“
    „Was kannst du zu sagen haben?“ klang es gespannt aus dem Mund Haubolds.
    Da fuhr die Wirtschafterin fort:
    „Die Martha hat dich lieber gehabt noch als ihr Leben und konnte nichts dafür, daß sie bloß Schauspielerin und nicht eine reiche Bauerstochter war. Darum ist ihr so weh geworden, als dein Vater die harten Worte sprach und dich von ihrer Seite riß. Sie ist allein hinauf zur Kanzel gestiegen, hat sich an die Brüstung gelehnt und dabei gedacht, ob es nicht besser sei, hinabzuspringen in die schwarze Tiefe. Da plötzlich ist der rote David, der Heinemann, bei ihr gestanden und hat den Arm um sie gelegt. Er ist gar schlimm gewesen, hat erst viele gute Worte gegeben, und als das nichts geholfen hat, so ist er wild geworden und hat gedroht, sie in den Bruch zu stoßen, wenn sie von dir nicht lassen will. Dann haben sie miteinander gerungen, und dabei ist er ausgeglitten und hinabgefallen. Sie hat nichts dafür gekonnt, aber es ist ihr gerade gewesen, als ob sie die Mörderin sei, und das hat ihr nicht Ruhe gelassen und sie aus dem Dorf und von dir fortgetrieben.“
    Haubold atmete in schnellen und tiefen Zügen. Sie nannte ihn ‚du‘, was noch niemals vorgekommen war; sie wußte den Hergang so genau; er dachte an die Ähnlichkeit der Augen, an die ungewöhnliche Aufmerksamkeit, welche sie stets für ihn gezeigt, an die selbstlose und aufopfernde Tätigkeit, die sie seinem Hauswesen so unausgesetzt gewidmet hatte, und stieß die hastige Frage hervor:
    „Du warst mit dabei? Sprich, wie ist's möglich?“
    Sie zögerte mit der Antwort.
    „So sage, was aus der Martha dann geworden ist! Du kannst es nicht mehr verschweigen. Ich flehe dich an, sprich alleweil

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