73 - Der Dukatenhof
sie nicht, du bist – geh' weg“, unterbrach er sich, indem es wie Haß in seinen Augen aufblitzte; „ich könnte dir gut sein, grad wie der Anna, aber ich mag von dir nichts wissen. Die Anna hatte blaue Augen, du aber, wenn du auch weinst, ich sehe es doch, du hast Dukatenaugen!“
Er nahm die unentbehrlichen Hölzer, welche er vorhin von sich geworfen hatte, wieder von der Erde auf, lenkte um und schob sich, ohne die Versammlung weiter zu beachten, wieder von dannen. Sein Weg führte ihn das Dorf hinauf; die Straße war ziemlich menschenleer, und die wenigen Personen, welche ihm begegneten, bemerkte er kaum. Nur allein mit seinen Gedanken beschäftigt, lenkte er endlich in einen engen Seitenpfad ein, welcher zu einer Stelle führte, wo abseits von den übrigen Gebäuden ein kleines, einstöckiges und außerordentlich vernachlässigtes Häuschen stand. Es war sein Eigentum und seine Wohnung. Er hielt still, sah sich scheu nach allen Seiten um, und da er niemanden gewahrte, der seine Worte hören konnte, murmelte er halblaut:
„Das ist dem Köpfle-Franz sein Dukatenhof. Aber der Franz ist gescheiter als der – der – andre. Wenn die Leut' wüßten, daß der arme Krüppel bloß dann ein Bettler ist, wenn er mal nach Hause kommt, so würd' mein Kachelofen –“
Er hielt vorsichtig inne, denn er war im Begriff gewesen, sein kostbarstes Geheimnis in den Wind zu plaudern. Nachdem er, um sich zu überzeugen, daß alles in Ordnung sei, die Runde um das Häuschen gemacht hatte, zog er einen riesigen Schlüssel aus der Tasche und näherte sich der Tür. Das Schloß war so hoch, daß er es grad noch zu erreichen vermochte; er öffnete, schob sich in den engen, dunklen Flur und schloß dann hinter sich wieder sorgfältig zu.
Die Hütte hatte zur ebenen Erde drei Räume: den Flur, einen kleinen Stall und die Wohnstube. Er öffnete mit einem zweiten Schlüssel die zu der letzteren führende Tür und verriegelte auch diese von innen mit einer Bedachtsamkeit, als habe er ungewöhnliche Schätze zu verbergen. Da die Läden zugemacht waren, so herrschte vollständige Dunkelheit um ihn her, bis er ein Feuerzeug hervorsuchte und mit Hilfe desselben ein kleines Lämpchen anzündete, dessen ungewisser Schein wenigstens eine Art von Dämmerung hervorbrachte. In dieser traten eine Anzahl von Köpfen gespenstisch hervor, welche rings an den weißgetünchten Wänden angebracht waren; sie stellten alle ohne Ausnahme in den verschiedensten Ausdrücken und Schattierungen ein und dasselbe Mädchen dar, und wer Emma vorhin auf dem Kirchhof gesehen hatte, dem mußte die Ähnlichkeit dieser Kopfzeichnungen mit ihr sofort in die Augen fallen.
Er hatte den Sack abgelegt, die Stemmhölzer beiseite geworfen und kroch nun in einer Weise auf den Händen in der Stube herum, die ihm das Ansehen eines hilflosen, vierfüßigen Tieres gab, dem die Hinterbeine gelähmt worden sind. In einer Ecke des ärmlichen Gemachs befand sich ein außerordentlich anspruchsloses Lager, bestehend aus einem Haufen dürren Laubs, über welchen eine alte Decke gebreitet war. Er wühlte einige Zeit in demselben herum und brachte zwei lange, starke Kerzen zum Vorschein, mit denen er sich einem niedrigen Tischchen näherte, dessen Platte aus zwei Teilen bestand, deren oberes zurückgeschlagen werden konnte. Zu beiden Seiten desselben war eine Drahthülle angebracht, in welcher er die Kerzen befestigte und dann mit Hilfe der Lampe anbrannte. Dann zog er ein Tuch aus dem Tischkasten, breitete es über die Platte und schlug die Klappe zurück. An der einen Seite der Klappe war ein in Öl gemaltes Porträt angebracht, welches denselben Kopf darstellte, der in so vielen Variationen an die vier Wände gezeichnet war.
Er hockte sich vor dem Tisch nieder und richtete sein Auge mit warmem, innigem Blick auf das Gemälde. So saß er lange, lange Zeit, still und im Anschauen versunken. Seine Züge waren jetzt frei von jenem störenden Ausdruck und sprachen von nichts als von einer tiefen Verehrung.
„Du hast mich wieder, meine Anna!“ flüsterte er endlich glücklich. „Bin lange fort gewesen, nicht wahr? Aber brauchst keine Sorge zu haben, es ist mir gut gegangen, besser noch als andere Male. Habe wieder in der großen Stadt gemalt, wo die schöne Galerie ist mit den vielen Bildern, und wo sie mich immer anschauen wie ein Wundertier, wenn ich die vornehmen Leute zeichne, die da aus- und eingehen. Und denke dir nur, der König war auch da mit seiner Frau und vielen
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