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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gesetzwidrigen Treiben durch scharfe Maßregeln entgegenzutreten. Das Forst- und Grenzpersonal wurde durch Militär verstärkt, und der dasselbe kommandierende Offizier nahm sein Quartier im Dorf, da dieses ziemlich in der Mitte der Operationslinie lag. Er war der älteste Leutnant der Armee, hatte es während der Befreiungskriege vom Soldaten bis zur gegenwärtigen Charge gebracht, konnte aber auf weiteres Avancement nicht rechnen, und da er partout nicht aus dem Dienst scheiden und um eine Zivilanstellung einkommen wollte, so pflegte man ihn zur Lösung von Aufgaben der vorliegenden Art zu verwenden. Und dazu war er allerdings auch gerade der rechte Mann, das sollte sich bald zeigen.
    Ein Leutnant ist im Gebirge ein gar vornehmer Herr, und niemand wagte es, ihn in Logis zu nehmen. Der Dukatengraf aber hatte nicht nur den Mut, sondern auch die Räumlichkeiten dazu, und so zog denn der alte Leutnant mit Sack und Pack und mit Weib und Kind bei ihm ein. Er mochte sich von beiden letzteren nicht trennen. Und das konnte ihm auch gar niemand übel nehmen, wie alle Jungburschen wenigstens in Beziehung auf die Tochter sofort einsahen. Sie hieß Anna und war in allem das gerade Gegenteil von ihrem Vater. Er war Soldat durch und durch, kurz angebunden und hielt es nicht für nötig, sich populär zu machen; man nannte ihn grob und stolz und ging ihm aus dem Weg. Dies geschah natürlich am sorgfältigsten von denjenigen, die seine amtliche Tätigkeit zu fürchten hatten. Ganz anders aber verhielt man sich zu den beiden Frauen, die mehr als er mit den Leuten in Berührung kamen und sich sichtliche Mühe gaben, den Eindruck zu mildem, welchen die Rauheit des Leutnants hervorbrachte. Bald waren sie allgemein beliebt, und Anna, mit der sich kein hiesiges Mädchen messen konnte, hatte im Flug die Herzen der männlichen Jugend erobert.
    Bei dem gesunden Sinn der einfachen Menschen wurde sie durch diese Eroberungen nicht belästigt, und nur einer hielt sich für berechtigt genug, ihr seine Zuneigung offen zu zeigen – Heinrich. Sein Vater, der alte Dukatenbauer, hatte, obgleich der Leutnant augenscheinlich nicht mit großer Habe gesegnet war, nicht das mindeste gegen die Neigung seines Sohnes einzuwenden, vielmehr tat er sein möglichstes, dem Stammbaum der Dukatengrafen ein so vornehmes Blatt beifügen zu dürfen. Er ließ seinen Reichtum im hellsten Licht spielen, machte den Gästen ihren Aufenthalt so angenehm wie möglich und benutzte dann einmal eine Gelegenheit zu einer leise anspielenden Frage.
    „Hätte nichts dagegen, Graf, wenn Euer Sohn was taugte! Ihr seid ein gemachter Mann und ich auch; wir könnten uns zusammenschicken. Aber ich habe den Heinrich auf dem Korn; Ihr werdet schon wissen, weshalb, und die Anna scheint ihm nicht nachzulaufen. Schlagt Euch also den Gedanken aus dem Kopf!“
    So lautete die unverblümte Antwort des Leutnants. Der Bauer nahm seinen Sohn vor, erreichte aber bei dem eigenwilligen Charakter nichts weiter, als daß Heinrich einen Haß auf den Vater des Mädchens warf, den er sich aber nicht anmerken ließ. Er besaß ein leidenschaftliches Naturell und gehörte zu denjenigen Menschen, die durch eine Weigerung nur hartnäckiger werden und dann um jeden Preis zum Ziel zu gelangen suchen. Daß Anna ihn nicht liebhaben könne, hielt er gar nicht für möglich. Er war gewohnt, bewundert zu werden, und sah in ihrer Zurückhaltung nur die natürliche Wirkung des Respektes, welchen sein Reichtum ihr einflößen mußte. Bei nächster Gelegenheit wollte er sich ihre Zusage holen, und dann war der Leutnant gezwungen, nachzugeben.
    Es war an einem Novemberabend. Noch lag kein Schnee, aber der Winter hatte seine Nähe schon längst durch starke Nachtfröste verkündigt, und wen nach eingebrochener Dunkelheit nicht die Notwendigkeit hinaus ins Freie trieb, der zog es vor, in der wohlerwärmten Stube zu bleiben. Um diese Zeit galt es für die Beamten und das Militär ganz besonders wachsam zu sein, da durch den hartgefrorenen Boden das Wildern und Paschen erleichtert wurde, und niemand Gefahr lief, sich durch zurückgelassene Fußspuren zu verraten.
    Franz war wie gewöhnlich bei Heinrich auf dem Dukatenhof. Die Bewohner desselben hatten sich alle außer dem Leutnant in der Wohnstube des Bauern zusammengefunden und kürzten sich die Zeit durch allerlei Unterhaltung. Als es zehn Uhr schlug, erhob er sich, um nach Hause zu gehen. Marie, welche genau wußte, wann er sich zu verabschieden pflegte, war vor einigen

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