73 - Der Dukatenhof
Hütte nur schwer in Harmonie zu bringen war.
Aus vergangener Zeit
„Auff dem Hoff ißt gesessen eyn Herr von Stiegelitz, so beynahe achtzig Jahre alt gewesen ißt, und hat gehabt eyn so überaus rothe Nasen, weil er den Safft geliebt hat, so auß dem Faß gelauffen kommt. Daherohalben ist ihm der Beutel klein geworden, und besagter Stiegelitz hat sich umbesehen müssen nach eyn Käuffer für das Gut. Da kommt eyn Wachtmeister, so unter dem Wallenstein gedient, Graff geheißen, und indeme derselbe Schwedenfeynd den Hoff kaufft, nimmt er eyn Geldkatzen vom Leib und wirft daraus eyn überauß mächtigen Hauffen Dukaten auff den Tisch, so mann zu Kemnitz im Lande Hungara schlägt. Solch Gewächs ist gewesen eyn allermaßen köstlich Arzneyen für dem alten Herrn sein trukken Kehlen, und hat selbiger Wachtmeister von dieser Stund geheißen der Dukatengraff. Hab ihn auch noch gekannt, indem er mayn zweite Leich gewesen ist, so ich eyn Parentation gegeben hab.“
So lautet eine Stelle aus den chronikalischen Aufzeichnungen, welche noch heute auf dem Pfarramt einzusehen sind. Der Wachtmeister ist gestorben; eine ganze Reihe seiner Nachkommen sind ihm gefolgt, aber Name und Vermögen haben sich erhalten und fortgeerbt von Kind auf Kindeskind. Die Dukatengrafen haben stets mit Stolz auf ihre Vorfahren zurück und auf ihre Nebenmenschen herabgeblickt, sind nie umgänglich gewesen und haben auch niemals für irgend jemanden Freundschaft und Vertrauen gezeigt.
Nur Heinrich Graf, der letzte von ihnen, machte eine Ausnahme von dieser Regel.
Da draußen in dem kleinen, einstöckigen Häuschen wohnte eine arme Tagelöhnerswitwe, die zu den Arbeiterinnen des Dukatenhofs zählte und in der freien Jahreszeit sich ihren Unterhalt mühsam mit Spitzenklöppeln verdiente. Sie hatte einen einzigen Sohn, der ein aufgeweckter, munterer Junge war, der ärmste im Dorf, aber der erste in der Schule. Gegensätze berühren sich. Heinrich, der Sohn des Reichsten im Ort, aber der letzte auf der Schulbank, war selten zu Hause zu treffen, sondern kroch mit dem Grunert-Franz unter dem niederen Strohdach des Häuschens herum, wo sie allerhand Romane spannen, oder strich mit ihm durch Feld und Wald, eine Arbeit, zu welcher er die meiste Lust besaß. Der Arme half dem Reichen im Lesen und Schreiben, und dieser brach dafür dem Hungrigen sein Butterbrot.
Die Knaben wurden Jünglinge. Sie waren die beiden hübschesten Burschen auch über das Dorf hinaus, und gar manches Mädchen blickte mit sehnsüchtigem Herzen nach ihnen, wenn sie des Sonntags miteinander zum Tanz kamen. Die blanken Dukatenknöpfe standen dem Heinrich zum Entzücken, und wer nun gar die kostbare Uhrkette sah, die er so gern im Schein der Lichter flimmern ließ, der verzieh es ihm, daß er noch immer, wie in den Kinderjahren, die meiste Zeit im Wald stak und sich wenig um den Hof kümmerte.
Er brauchte ja nicht nach dem Brot zu arbeiten wie andere, und die Hirsche, Rehe und Hasen sind für jedermann gewachsen. Der Franz konnte zwar keine dukatenen Ketten und Knöpfe aufzeigen, ja, er hatte nicht einmal eine Uhr, denn alles, was er erübrigte, das gab er seiner Mutter, die nun alt geworden war und nichts mehr verdienen konnte, aber er war so nett und bildsauber, fast noch hübscher als der Heinrich. Und dazu war er so klug und gescheit, daß selbst der Schulmeister gesagt hatte, er könne ihm nichts mehr lehren, besonders im Zeichnen. Daß er zuweilen des Nachts mit einem Päckchen über die Grenze schlich, das konnte ihm niemand übelnehmen; der liebe Gott hat nicht befohlen, daß der Tabak auf der einen Ackerfurche mit acht Kreuzern bezahlt werden soll, wenn er auf der anderen nur einen Groschen kostet, und wer als armer Handarbeiter für eine alte Mutter zu sorgen hat, der muß dahin gehen, wo man ihn am besten bezahlt – so dachte man wenigstens allgemein.
Eine gab es, die ihm ganz besonders zugetan war, die Marie auf dem Dukatenhof. Sie war eine vater- und mutterlose Waise, aber ein schmuckes und ordentliches Mädchen, an dem man schon seine Freude haben konnte. Wer weiß auch, was geworden wäre, denn der Franz war gar lieb und freundlich mit ihr, so daß es manche heimliche Neiderin gab, doch da trat ein Ereignis ein, durch welches ihre Hoffnung, und nicht bloß die ihrige, zunichte gemacht wurde.
Es hatte nämlich seit einiger Zeit sowohl der Wilddiebstahl als auch die Schmuggelei in der Gegend so überhand genommen, daß die Regierung sich genötigt sah, dem
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