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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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anderen Herren und Damen, Fürsten und Grafen, Ministern und Generälen; die haben mit mir gesprochen. Ich habe sie zeichnen müssen in ihrer Wohnung, alle mit'nander. Da hat's Geld gegeben, wie ich dir noch niemals so viel mitgebracht habe. Laß dir's zeigen! Kassenbillets, Gold und Silber, aber ich habe mir's umwechseln lassen zu lauter Dukaten.“
    Er bog sich zu dem Rollkasten nieder, und nun zeigte es sich, daß derselbe einen Doppelboden hatte, zwischen dem sich ein Schubfach befand, welches er hervorzog. Neben mehreren Malerrequisiten und sonstigen Dingen, die man dem unscheinbaren Bettler nicht zugetraut hätte, lagen hier mehrere sorgfältig in Papier gewickelte Rollen, welche er öffnete, um die Goldstücke in dem Schein der Kerzen glänzen zu lassen.
    „Siehst du, wie viel“, lachte er glücklich. „Sie sagen hier, ich wäre verrückt, weil du nicht meine Frau geworden bist; aber ich bin gescheiter als sie alle, und wer der Reichste ist im Dorf, das wird sich schon auch noch zeigen! Es hat noch keiner von ihnen in der Zeitung gestanden, mich aber haben sie in Dresden hineingesetzt. Warte, ich will dir's mal vorlesen!“
    Er nahm ein zusammengefaltetes Blatt aus dem Fach und schlug es auseinander.
    „So, hier steht's! Ich habe dir's mitgebracht, damit du auch wissen sollst, was sie dort von mir sagen.“
    Zwar nicht fließend, denn dazu hatte er die Schule nicht gehabt, aber doch ohne besondere Fehler las er folgende Zeilen ab:
    „Seit einigen Tagen ist wieder, wie schon einige Male früher, jener seltsame Besucher unserer Bildergalerie zu bemerken, welcher nicht nur die Augen durch sein körperliches Unglück auf sich zieht, sondern auch durch eine seltene Begabung für das Porträtzeichnen das lebhafteste Interesse aller derer erweckt, die den mehr als bescheidenen Mann in der ihm stillschweigend eingeräumten Ecke haben hocken sehen. Leider scheint der Unglückliche infolge trüber Lebenserfahrungen, über welche er ein beharrliches Schweigen bewahrt, geistig gestört zu sein, was ebenso wie sein Alter eine Ausbildung resp. Ausnutzung seines Talentes zur Unmöglichkeit macht, doch äußert sich diese Störung in einer andere durchaus nicht belästigenden Weise und hat jedenfalls ein Wesentliches zu der Teilnahme beigetragen, welche ihm sogar von hoher und allerhöchster Seite entgegengebracht worden ist. Wie wir vernehmen, hat er trotz seiner mehr als zu geringen Courfähigkeit das Glück gehabt, die Majestäten zeichnen zu dürfen; die meisten der Hofchargen haben sich diesem Akt der Mildtätigkeit angeschlossen, und wenn man aus sicherer Quelle erfährt, daß einer unserer reichsten englischen Sommergäste ihm eine kleine Familienskizze mit fünfzig Talern honoriert hat, so liegt darin keineswegs eine Beruhigung für uns, sondern vielmehr eine Aufforderung, ihn auch weiteren Kreisen aufs wärmste zu empfehlen.“
    „Siehst du? Was da steht, ist alles wahr, nur das von wegen dem Geist nicht. Ich kann doch nichts dafür, daß ich anders rede als diese Leute und daß sie zu mir niederschauen müssen, wenn sie mich ansehen. Der König hat gar gemeint, er wolle für mich sorgen und deshalb an meine Behörde schreiben lassen, ich aber habe mir das verbeten, denn wir haben's noch lange nicht nötig, uns ins Armenhaus stecken zu lassen, ich nicht und du erst recht nicht! Wer weiß, ob der König immer so viel Dukaten hat wie wir!“
    Die Erwähnung der verhängnisvollen Münzsorte gab seinen Gedanken eine andere Wendung.
    „Und der – der – na, du weißt schon, wen ich meine, der auch nicht! Mit dem geht's immer mehr bergab; er spielt und kauft Papiere von dem Zettelkramer, die mal nichts wert sein werden, und nachher – nachher wird der Dukatenhof mein, denn der Baron bekommt ihn nicht, dafür will ich schon sorgen! Ich hab' dich nicht haben sollen, weil ich arm gewesen bin, und der – der war reich. Da hab' ich einen Schwur darauf gesetzt, daß der Hof mein wird, und jetzt, jetzt bin ich ebenso schwer und noch schwerer, wie der damals war. Und wenn du das nicht glaubst, so will ich dir's beweisen. Wir wollen wieder mal zählen!“
    Er kroch zu dem alten, unförmigen Kachelofen, unter welchem ganze Stöße von Zeichnungen lagen, die immer nur den einen Kopf behandelten. Er räumte sie zur Seite, und wer nach kurzer Zeit an dem verschlossenen Laden gehorcht hätte, dem wäre es bei scharfem Gehör vielleicht gelungen, einen Klang zu erlauschen, der mit der Ärmlichkeit der halb verfallenen

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