73 - Der Dukatenhof
und werde Ihnen später über Ihren Auftrag Nachricht zugehen lassen.“
„Dann danke ich Ihnen zum zweiten Mal, Herr Pastor. Möge der liebe Gott nicht schlimmer mit mir ins Gericht gehen, als wie Sie es tun. Und wenn ich erst mal vom Dorf weg bin, so sehen Sie doch zuweilen mit nach meinem Kind; ein freundlich Wort wird immerdar zu brauchen sein, und ich weiß, Sie sind bereit dazu.“
Er fühlte es weich und warm aus seinem Herzen emporsteigen und nahm daher schnell Abschied, um die über ihn kommende Rührung zu verbergen. Die Glocken läuteten zur Kirche, er folgte ihrem Ruf – zum zweiten Mal seit langer Zeit und zum letzten Mal wohl für das ganze Leben. Und nach beendigtem Gottesdienste besuchte er den Kirchhof, um Abschied zu nehmen von dem Hügel, der ihm bisher so gleichgültig war und an dessen Seite ihm nun auch die Ruhestätte verweigert werden sollte. Seine letzte Stunde sollte ihm nun hinter eisernen Gittern schlagen, und sein Grab, es lag wohl einmal außer der Reihe derjenigen, zu denen die Liebe ihre treuen Schritte lenken darf.
Zum Dukatenhof zurückgekehrt, fand er denselben von einer zahlreichen Menschenmenge belagert. Ohne daß man wußte, woher, hatte sich das Gerücht, der König und die Königin seien vom Bad herübergekommen, erst beim Pfarrer gewesen und dann nach dem Dukatenhof gefahren, wie ein Lauffeuer durch das Dorf verbreitet, und alles war herbeigeeilt, um die hohen Herrschaften zu sehen. Die Posaune des letzten Gerichts hätte ihn nicht schrecklicher treffen können als diese unerwartete Kunde, und er mußte alle seine Kraft und Selbstbeherrschung zusammennehmen, um sich ihren Eindruck vor den vielen Leuten nicht merken zu lassen.
Längst schon war er hinter dem Tor verschwunden; Viertelstunde auf Viertelstunde war vergangen; da endlich wurde die Tür aufgestoßen, und der Köpfle-Franz erschien unter derselben. Die Arme so hoch wie möglich in die Luft werfend, gab er das Zeichen zur Ruhe und rief dann:
„Hört mal, ihr Leute, wenn ich schreie, so schreit ihr auch!“
Er konnte die Zustimmung des Publikums gar nicht abwarten, denn schon im nächsten Augenblick traten die Erwarteten aus dem Haus. Der Diener öffnete den Schlag; sie stiegen ein, und der Bezirksgerichtsdirektor folgte ihnen. Da richtete Franz sich so hoch wie möglich empor und rief so laut er nur konnte:
„Paßt auf, ihr Leute! Alleweil soll der Herr König leben, vivat hoch!“
„Hoch!“ brauste es über die anwesende Menge dahin.
„Und die Frau Königin grad erst recht daneben, vivat hoch!“
Der Ruf wiederholte sich und endete nicht eher, als bis der Wagen den Augen der Nachblickenden vollständig entschwunden war. Köpfle-Franz aber kehrte gar nicht wieder in den Hof zurück, sondern schlich sich so schnell wie möglich am Zaun hin und schlug dann den Weg nach seiner Wohnung ein. Noch niemals hatte er sich mit so freudigem Gesicht das Dorf hinaufgeschoben, und als er bei geschlossenen Läden und angesteckten Lichtern vor dem Bild Annas hockte, lag auf seinem Gesicht eine Verklärung, welcher jenes unbeschreibliche Etwas in seinen Zügen vollständig gewichen war.
„Nun ist's zu Ende mit allem Haß und Streit, mit aller Angst und Sorge, Anna! Aber gekämpft haben wir auch, daß es so weit gekommen ist. Der König hat nicht gleich gewollt, sondern gesagt, da gäbe es vorher erst gar viel auf dem Gericht zu tun, ehe an die Gnade zu denken sei, aber die Emma ist fast tot gewesen vor Herzeleid; der Heinrich hat vollends gar kein Wort zuwege gebracht, auch der Wilhelm hat geweint und gebeten, und da sind der Königin die Tränen über die Wangen gestürzt, und sie hat ihren Mann bei der Hand gefaßt und ihn so lieb und gut angeschaut, daß ihm das Herz endlich doch übergelaufen ist. Er hat mit dem Gerichtsdirektor noch einige Worte in einer fremden Sprache gesprochen und dann gesagt: ‚Nun gut, er soll nicht gefangen sein. Wo so viel Reue und Fürsprache ist, da kann kein König widerstehen.‘ Aber nun die Freude, die solltest du sehen! Der Heinrich hat geschluchzt wie ein Kind; die Emma hat dem König und der Königin immer nur die Hände geküßt und mit Tränen gesalbt; der Wilhelm und ich, wir sind vor Glück auch ganz stumm gewesen, und die Herrschaften haben selbst nicht gewußt, wo sie mit ihrer Rührung hin sollten. Anna, das war die schönste Stunde in meinem Leben! Und nun werde ich meine Rache vollenden, aber nicht die, welche ich erst gewollt habe, sondern eine andere, eine viel,
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