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74 - Mein Leben und Streben

74 - Mein Leben und Streben

Titel: 74 - Mein Leben und Streben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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bitte ich Sie, wenn Sie die Kunstausstellung besuchen oder sonst einmal nach Dresden kommen, bei uns zu Mittag essen oder den Kaffee einnehmen zu wollen.
    In einem Punkt muß ich unser gestriges Abkommen widerrufen. Ihre unentgeltliche Mitarbeit kann ich nicht annehmen. Wir zahlen zehn Pfennig für die Zeile, was wohl derselbe Preis sein wird, den Sie von anderen Blättern erhalten haben.
    Was Sie mir gestern erzählt haben, habe ich heute noch einmal überdacht. Es will mir scheinen, als ob trotz des kolossalen Absatzes Ihrer Werke der Umsatz noch erheblich gesteigert werden könnte. Meine Buchhändler- und Verlagserfahrungen haben mich gelehrt, daß der Wert einer richtig geleiteten Propaganda und direkten Reklame gar nicht überschätzt werden kann.
    Meine Frau und ich empfehlen sich Ihrer werten Frau Gemahlin und Ihnen in Verehrung und Dankbarkeit ergebenst
    Rudolf Lebius.“
    Ich mache darauf aufmerksam, daß er mich ‚Doktor‘ titulierte, obgleich ich ihm während seines Besuches bedeutet hatte, und zwar wiederholt, hiervon abzusehen. Er tat dies aber nicht, denn dieser Doktor sollte ihm ja als Waffe gegen mich dienen!
    Um diese Zeit schrieb Max Dittrich eine Broschüre über mich und meine Werke. Er war so unvorsichtig, das Manuskript Lebius zu zeigen. Dieser kam sofort nach Radebeul geeilt, um mich zu bitten, mich bei Dittrich dafür zu verwenden, daß dieser ihm, Herrn Lebius, das Werk in Verlag gebe. Er wurde ganz selbstverständlich mit dieser Bitte abgewiesen, und ich schrieb Herrn Max Dittrich, daß ich niemals wieder mit ihm verkehren würde, wenn es ihm einfalle, diesem Mann die Broschüre zu überlassen.
    Dieser zweite Besuch des Herrn Lebius dauerte höchstens zehn Minuten lang. Als er fort war, fehlte mir eine Photographie, die er mir entwendet hatte. Er durfte nie wiederkommen. Trotzdem hat er wiederholt behauptet, in meinem Haus vielfach verkehrt zu sein und mich sehr genau studiert zu haben.
    Am folgenden Tage schrieb er mir:
    „Dresden-A. 12.7.04
    Fürstenstraße 34.
    Sehr geehrter Herr Doktor!
    Ich möchte sehr gern die Dittrische Broschüre verlegen und würde mir auch die größte Mühe geben, sie zu vertreiben. Durch den Rücktritt von der ‚Sachsenstimme‘ – offiziell scheide ich erst am 1. Oktober d.J. aus – bin ich aber etwas kapitalschwach geworden.
    Würden Sie mir vielleicht ein auf drei Jahre laufendes, 5 prozentiges Darlehen gewähren? Ich zahle Ihnen die Schuld vielleicht schon in einem Jahre zurück.
    Als Dank dafür würde ich die Broschüre so lancieren, daß alle Welt von dem Buch spricht. Ich habe ja auf diesem Gebiet besonders große Erfahrung.
    Meine Zeitung kommt zustande, und zwar auf ganz solider Basis. Nun heißt es arbeiten und zeigen, daß man ein ganzer Kerl ist usw. usw. Beste Empfehlung an Ihre Frau Gemahlin
    Ihr Ihnen ergebener
    Rudolf Lebius.“
    Ich antwortete nicht. Ich war der Ansicht, daß jemand, der Ehre besitzt, auf ein solches Schweigen nicht weitergehen könne, zumal ich Herrn Lebius mit der Broschüre total abgewiesen hatte. Aber am 8. August schrieb er trotzdem wieder:
    „Die ‚Sachsenstimme‘ ist am 4. d. zu vorteilhaften Bedingungen an mich allein übergegangen. Ich kann jetzt schalten und walten, wie ich will. Um mich von dem Drucker etwas unabhängig zu machen, würde ich gern einige tausend Mark (3-6) auf ein halbes Jahr als Darlehen aufnehmen. Ein Risiko ist ausgeschlossen. Hinter mir stehen die jüdischen Interessentenfirmen, die mich, wie die letzte Saison bewiesen hat, in weitgehendem Maße unterstützten. Das Weihnachtsgeschäft bringt wieder alles ein. Würden Sie mir das Darlehen gewähren? Zu Gegenleistungen bin ich gern bereit. Die große Zahl von akademischen Mitarbeitern erhebt mein Blatt über die Mehrzahl der sächsischen Zeitungen. Wir können außerdem die Artikel, auf die Sie Wert legen, an 300 oder mehr deutsche und österreichische Zeitungen versenden und den betreffenden Artikel blau anstreichen. So etwas wirkt unfehlbar. In Dresden lasse ich mein Blatt allen Wirtschaften (1.760) zugehen. Mit vorzüglicher Hochachtung
    Rudolf Lebius.“
    Zu derselben Zeit erfuhr ich, daß Lebius gar nichts besaß, sondern den Offenbarungseid geleistet hatte, daß er den Drucker seines Blattes nicht bezahle, daß er überhaupt nur Schulden habe und daß er sogar Honorar schuldig bleibe. Daß seine Zeitung eine solide Basis habe, war unwahr, ebenso die ‚große Zahl der akademischen Mitarbeiter‘ und anderes. Dergleichen absichtliche

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