74 - Mein Leben und Streben
Schund-Werkes war eben jener Otto Freytag, der nur deshalb mit Münchmeyer gebrochen hatte, weil dieser ihn an dem Gewinn, den das Werk brachte, nicht partizipieren ließ. Das Buch enthielt eine lüstern geschriebene Abteilung über ‚Prostitution‘, die zu Polizeianzeigen allerdings direkt herausforderte. Es wurde Münchmeyer von irgendeiner Seite verraten, von welcher, das weiß ich nicht, daß eine Haussuchung nach dem ‚Venustempel‘ stattfinden werde. Sofort begann eine fieberhafte Rührigkeit, die Verluste, die hier drohten, zu verhüten. Jedermann, dem man traute, mußte helfen; mir aber sagte man kein Wort; man schämte sich. Es lagen Tausende von gedruckten Exemplaren da. Man versteckte ganze Stöße, die bis zur Decke reichten, hinter andern Werken. Man füllte den Lift damit aus. Man benutzte jede verborgene Stelle. Man schaffte eine Menge der gefährdeten Bücher in die Privatwohnungen und verbarg sie sogar unter den Betten der Kinder. Das ging so schnell und gelang so gut, daß die Polizei, als sie sich einstellte, kaum eine ganz geringe Nachlese fand, und noch lange hat man sich im Münchmeyerschen Haus des Schnippchens gerühmt, welches damals der sonst so findigen Dresdener Behörde geschlagen worden sei. Ich erfuhr erst später, viel später hiervon und zog meine Konsequenzen. Meines Bleibens war hier nicht. Ich wollte aus dem Abgrund heraus, nicht aber wieder hinunter!
Ich darf wohl sagen, daß ich in jener Zeit fleißig gewesen bin und mir ehrliche Mühe gegeben habe, die Münchmeyersche Kolportage in einen anständigen Verlag zu verwandeln. Münchmeyer befreundete sich so mit mir, daß wir wie Brüder verkehrten. Das war mir ganz lieb, solange er tat, was ich für richtig hielt. Ich begann gleich in den ersten Nummern der drei neugegründeten Blätter mit der Ausführung meiner literarischen Pläne. Ich habe bereits gesagt, daß ich in dieser Beziehung mein Augenmerk auf die Bewohner zweier Erdhälften, nämlich auf die Indianer und auf die islamitischen Völker richten wollte. Das tat ich nun hier. Ich bestimmte das ‚Deutsche Familienblatt‘ für Indianer und die ‚Feierstunden‘ für den Orient. Im ersteren Blatt begann ich sofort mit ‚Winnetou‘, nannte ihn aber einem anderen Indianerdialekt gemäß einstweilen noch In-nu-woh. Ich war überzeugt, daß diese beiden Blätter eine Zukunft hätten, und ich bildete mir ein, für eine ganze Reihe von Jahrgängen Redakteur bleiben zu können. Da gab es Raum und Zeit genug für das, was ich wollte. Ganz selbstverständlich schrieb ich auch für andere Firmen, die ich wohl nicht zu nennen brauche, doch ohne die Absicht, mich bei ihnen festzusetzen. Leider stellte sich meinen guten, weit ausschauenden Absichten ganz plötzlich ein unerwartetes Hindernis entgegen, welches eigentlich gar nicht bestimmt war, ein Hindernis zu sein; es sollte vielmehr eine Anerkennung, eine Förderung bedeuten. Man machte mir nämlich, um mich an die Firma zu binden, den Vorschlag, die Schwester der Frau Münchmeyer zu heiraten. Man lud, um dies zu erreichen, meinen Vater nach Dresden ein. Er durfte zwei Wochen lang als Gast bei Münchmeyers wohnen und bekam vom Vater der Frau Münchmeyer die Brüderschaft angetragen. Das bewirkte grad das Gegenteil. Ich sagte ‚nein‘ und kündigte, denn nun verstand es sich ganz von selbst, daß ich nicht bleiben konnte, zumal es um diese Zeit war, daß ich über jenen Streich, den man der Dresdener Polizei gespielt hatte, das Nähere erfuhr. Nun hatten meine Pläne einstweilen zu schweigen, doch gab ich sie nicht auf. Als das Vierteljahr vorüber war, zog ich von Münchmeyers fort, doch nicht von Dresden. Die Trennung von der Kolportage tat mir nicht im geringsten weh. Ich war wieder frei, schrieb einige notwendige Manuskripte und ging sodann auf Reisen. Hierbei meine Vaterstadt berührend, wurde ich als Zeuge auf das dortige Amtsgericht geladen und erfuhr, daß Freytag, der Verfasser, und Münchmeyer, der Verleger des ‚Venustempels‘, wegen dieses Schandwerks kürzlich bestraft worden seien. Das hatte man mir verschwiegen. Wie froh war ich, nicht in den Bezirk dieses Venustempels hineingeheiratet zu haben.
Nach der Heimkehr von der soeben erwähnten Reise hatte ich Veranlassung, eine meiner Schwestern, die in Hohenstein verheiratet war, aufzusuchen. Ich wohnte einige Tage bei ihr und lernte da ein Mädchen kennen, welches einen ganz eigenartigen Eindruck auf mich machte. Ich habe am Anfang dieses meines Buches gesagt,
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