Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
74 - Mein Leben und Streben

74 - Mein Leben und Streben

Titel: 74 - Mein Leben und Streben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
und schnellsten bei mir!“
    „Wieso?“
    „Sie geben diese Sachen bei mir in Druck und machen diesen Freytag und sein neues Blatt damit tot!“
    „Das wäre allerdings bequem. Aber wenn mir Ihr ‚Beobachter an der Elbe‘ nicht gefällt? Ich kenne ihn ja nicht.“
    „So lassen wir ihn eingehen, und Sie gründen ein neues Blatt an seiner Stelle!“
    „Was für eines?“
    „Ganz nach Ihrem Belieben, wie es für Ihre Zwecke paßt!“
    Ich gestehe, daß er mich durch dieses Versprechen schon mehr als halb gewann. Das klang in Beziehung auf meine Pläne ja fast wie ein Himmelsgeschenk! Er fügte noch weitere Versprechungen hinzu, durch welche er es mir leicht machte, auf seine Wünsche einzugehen. Hierzu kamen meine eigenen Erwägungen. Es wurde mir hier ganz unerwartet die prächtigste Gelegenheit geboten, den Buchdruck, die Schriftsetzerei, die Stereotypie und alles noch hierher Gehörige in bequemster Weise kennenzulernen. Das hatte für mich als Schriftsteller sehr hohen Wert und wurde mir wahrscheinlich nie wieder geboten. Das Gehalt, das Münchmeyer mir zahlen konnte, war zwar nicht bedeutend, aber es flossen mir ja außerdem derartige Honorare zu, daß ich es eigentlich gar nicht brauchte. Und ich war gar nicht gebunden. Er bot mir vierteljährige Kündigung an. Ich konnte also alle drei Monate gehen, wenn es mir nicht gefiel.
    „Versuchen Sie es! Sagen Sie ja!“ forderte er mich auf, indem er mir einen Monatsgehalt hinzählte.
    „Wann hätte ich anzutreten?“ fragte ich.
    „Spätestens übermorgen. Es eilt. Dieser Freytag darf uns nicht vorauskommen.“
    „Aber Sie wissen doch, daß ich bestraft bin!“
    „Ich weiß alles. Das tut aber nichts.“
    „Und ich stehe sogar auch unter Polizeiaufsicht!“
    „Das habe ich nicht gewußt; aber auch das tut nichts. Grad weil dies so ist, sind Sie mir der allerliebste! Schlagen Sie ein!“
    Das klang gradezu rührend. Er hielt mir die Hand hin; Vater und Mutter nickten mir bittend zu; da gab ich ihm den Handschlag; ich war – Redakteur.
    Als ich nach Dresden kam, nahm ich mir zunächst ein möbliertes Logis, doch stellte mir Münchmeyer sehr bald mehrere Zimmer als Redaktionswohnung zur Verfügung, und ich kaufte mir die Möbel dazu. Ich fand den Verlag ungemein häßlich. Das ‚Schwarze Buch‘ war geradezu empörend verbrecherisch. Der ‚Venustempel‘ zeigte sich als ein scheußliches, auf die niedrigste Sinnenlust berechnetes Unternehmen mit zotenhaften Beschreibungen und entsetzlich nackten, aufregenden Abbildungen. Beigegeben war eine Hausapotheke für Geschlechtskrankheiten, an welcher Summen verdient wurden, die mir fast unglaublich erschienen. Diese schamlosen Hefte und Bilder lagen überall umher. Die Arbeiter und Arbeiterinnen nahmen sie mit heim. Die vier Töchter Münchmeyers, damals noch im Schul- und Kindesalter, lasen und spielten mit ihnen, und als ich Frau Münchmeyer vor den Folgen warnte, antwortete sie: „Was denken Sie! Das ist unser bestes Buch! Das bringt eine Masse Geld!“ Ich nahm mir vor, dies müsse entweder anders werden oder ich würde ohne Kündigung wieder fortgehen. Was den ‚Beobachter an der Elbe‘ betrifft, dessen Redaktion ich übernommen hatte, so sah ich gleich mit dem ersten Blick, daß er verschwinden müsse. Münchmeyer war so vernünftig, dies zuzugeben. Wir ließen das Blatt eingehen, und ich gründete drei andere an seiner Stelle, nämlich zwei anständige Unterhaltungsblätter, welche ‚Deutsches Familienblatt‘ und ‚Feierstunden‘ betitelt waren, und ein Fach- und Unterhaltungsblatt für Berg-, Hütten- und Eisenarbeiter, dem ich die Überschrift ‚Schacht und Hütte‘ gab. Diese drei Blätter waren darauf berechnet, besonders die seelischen Bedürfnisse der Leser zu befriedigen und Sonnenschein in ihre Häuser und Herzen zu bringen. In Beziehung auf ‚Schacht und Hütte‘ bereiste ich Deutschland und Österreich, um die großen Firmen z.B. Hartmann, Krupp, Borsig usw. dafür zu interessieren, und da ein solches Blatt damals Bedürfnis war, so erzielte ich Erfolge, über die ich selbst erstaunte. Unsere Blätter stiegen so, daß Münchmeyer mir zu Weihnachten ein Klavier schenkte. Sein Konkurrent Freytag gab sich alle Mühe, hatte zwar anfänglich auch Erfolg, mußte sein Blatt aber schon nach kurzer Zeit eingehen lassen.
    In dieser Zeit der Entwicklung war es, daß Münchmeyer von auswärtigen Behörden wegen der Verbreitung des ‚Venustempels‘ angezeigt wurde. Verfasser dieses Schand- und

Weitere Kostenlose Bücher